Lektion Fortschritt:

2 Extrusion: Methoden des Mechanical CAD (Teil 1)

Die einfachsten Volumenkörper basieren auf der linearen Streckung – oder Extrusion – eines geschlossenen Querschnitts lotrecht zu seiner Ebene. In SolidWorks wird diese Methode als Lineare Austragung bezeichnet (Abb. 2.1).

  • Machen Sie die Ebenen rechts und oben unsichtbar.

Abb. 2.1: Der einfachste aller Extrusionskörper – ein Quader

2.1 Zuerst die Bedingungen

Die Anwahl einer Skizzierebene ist Voraussetzung für das Erstellen einer Skizze, eines Querschnitts für ein 3D-Feature. Beides können Sie aber in einem einzigen Arbeitsgang erledigen:

Klicken Sie in der Kontext-Symbolleiste der Ebene vorne – Linksklick aufs Icon der Ebene, erste Option – auf Skizze.

Eine neue Skizze wird erstellt, wie Sie unten im FeatureManager sehen können. Der Blickvektor wird normal zur Zeichenebene ausgerichtet und das Zeichenraster formatfüllend herangezoomt. Anstelle des blauen Koordinatenursprungs ist jetzt der rote Skizzenursprung zu sehen. Die Schaltflächen der Symbolleiste Skizze sind vollständig aktiviert: Wir befinden uns im Skizziermodus (Abb. 2.2).

Abb. 2.2: Erstellen einer neuen Skizze

2.2 Skizzieren = Interaktives Zeichnen

Die Skizze eines MCAD-Programms ist grundverschieden von einer CAD-Zeichnung. Das merken Sie spätestens dann, wenn Sie eine anlegen:

Aktivieren Sie nun in der Symbolleiste Skizze den Befehl Ecken-Rechteck. Der Mauszeiger wird durch ein Fadenkreuz, in späteren ServicePacks einen kleinen Bleistift mit Rechtecksymbol ersetzt.

Führen Sie den Stift zum Ursprung, so wird dieser hervorgehoben und das Symbol Deckungsgleich eingeblendet.

Dies bedeutet, dass der Cursor sich in der Nähe eines „fangbaren“ Grafikelements befindet.

  • Ein Klick, und Sie haben den ersten Punkt des Rechtecks gesetzt.

Das Rechteck wird in dünnen blauen Linien aufgespannt. Eine Maßanzeige informiert Sie über die Größe des Objekts. Um die Maße kümmern wir uns aber erst im nächsten Schritt.

  • Klicken Sie nun einen zweiten Punkt rechts oben vom ersten an.

Damit ist die Erstellung abgeschlossen, Sie haben eine gültige Skizze.

Abb. 2.3: Definition einer Skizzenkontur

Noch aber ist der Rechteck-Cursor und damit die Funktion aktiv. Mit Esc oder Rechtsklick, Auswählen beenden Sie diesen und auch jeden anderen Befehl in SolidWorks.

2.2.1 Nicht Zeichnung, sondern Skizze!

Sobald Sie den zweiten Punkt gesetzt hatten, erschien das Rechteck in dicken blauen und schwarzen Linien. Wenn Ihre Skizze ausschließlich dicke Linien ent- hält, dann haben Sie eine gültige Skizze, denn diese besteht aus einem oder mehreren geschlossenen Querschnitten (Abb. 2.4).

Sind auch nach der Erstellung dünne, durchgezogene Linien zu sehen, so gehören diese zu einem doppelten oder offenen Kurvenzug – einer Schleife oder Selbstüberschneidung –, was bei der Erzeugung von Volumenkörpern bestenfalls zu Fragen und ansonsten zu Fehlermeldungen führt.

Abb. 2.4: Eine gültige Skizze ist an den ausschließlich dicken Linien zu erkennen

Um jedoch zu ergründen, warum einige Linien blau und andere schwarz gezeichnet werden, aktivieren Sie die Anzeige der Skizzenbeziehungen im Flyout Elemente einblenden/ausblenden der Symbolleiste Ansicht (Abb. 2.5).

Solid (eng.): Volumenkörper (m.)

Abb. 2.5: Die Beziehungssymbole zeigen bestehende Verknüpfungen der Elemente an

2.2.2 Skizzenbeziehungen anzeigen und löschen

An den Linien und am Ursprung der Skizze befinden sich kleine Symbole mit blauem Hintergrund. Mit diesen Symbolen kennzeichnet SolidWorks die geometrischen Eigenschaften der Skizzenobjekte und auch ihre Beziehungen zueinander. Zusammenfassend bezeichnen wir sie als Zwangsbedingungen, Skizzenbeziehungen oder Skizzenbeschränkungen. Die Nomenklatur im CAD ist historisch gewuchert.

Sie können bestehende Skizzenbeziehungen sichten, bearbeiten und entfernen, indem Sie in der Symbolleiste Skizze auf Beziehungen anzeigen/löschen klicken.

  • Der FeatureManager wird durch den PropertyManager ersetzt. Property bedeutet „Eigenschaft“, und dies war auch sein Name in früheren Versionen.

Im obersten Listenfeld, unter Beziehungen, wählen Sie den Filter Alle in dieser Skizze (Abb. 2.6).

Abb. 2.6: Der PropertyManager mit allen Beziehungen der aktuellen Skizze

Die Zahl der Skizzenbeziehungen kann sehr schnell chaotische Ausmaße annehmen, und da Probleme der Skizze fast immer mit Skizzenbeziehungen zu tun haben, ist diese Funktion stets Ihre erste beste Option, den Fehler zu finden:

  • Wenn Sie einen der Einträge anwählen, so wird das korrespondierende Symbol in der Skizze in Magenta unterlegt (Kreis). Dies funktioniert auch umgekehrt, allerdings schaltet der Anzeigefilter dann auf Ausgewählte um die anderen Einträge werden ausgeblendet.

Im unteren Bereich Elemente sehen Sie, welche Skizzenobjekte an der gewählten Beziehung beteiligt sind:

Die vier Linienbeziehungen stehen ganz für sich alleine. Sie gehören also zu den unären Beziehungen.

Nur die Beziehung Deckungsgleich zeigt zwei Elemente, die hier miteinander zur Deckung gebracht wurden. Sie ist also eine der binären Beziehungen.

Beenden Sie den PropertyManager mit OK, dem grünen Häkchen.

2.2.3 Voll definiert: Die Natur der Skizzenbeziehung

Was heißt das jetzt für uns? Nun, erstens ist diese Skizze offenbar mehr als nur eine normale Vektorzeichnung. Die Objekte besitzen genau diejenigen geometrischen Eigenschaften, die Sie ihnen zuordnen – die erwähnten Skizzenbeziehungen nämlich:

  • Wenn Sie die rechte obere Ecke wegziehen, so wird die Änderung ausgeführt, doch lassen sich die Seiten nicht etwa auch schräg stellen das Rechteck behält seine Horizontalen und Vertikalen bei und damit auch seine Rechteckigkeit. Trotzdem lässt sich die Länge der beteiligten Seiten ändern, sie sind damit unterdefiniert und werden in Blau gezeichnet (Abb. 2.7).

Auch die Bemaßungen gehören dazu

Abb. 2.7: Die Folgen der Skizzenbeziehungen Horizontal und Vertikal: Rechtecke bleiben rechteckig!

Die linke untere Ecke ist auf dem Ursprung fixiert, denn Sie hatten die beiden ja gerade deckungsgleich miteinander verknüpft. Durch die vorgeschriebene Ausrichtung und die gleichzeitige Fixierung eines der Endpunkte sind die angrenzenden Seiten ebenfalls festgelegt: Sie können zwar noch deren Länge ändern, ihren Schnittpunkt jedoch können Sie nicht mehr verschieben.

  • Solche geometrisch bestimmten Elemente gelten in SolidWorks als definiert und werden in Schwarz angezeigt.

Klicken Sie eine der Seiten an, so wird diese Eigenschaft im PropertyManager lobend erwähnt: Voll definiert heißt es da.

  • Eine der Maximen im Mechanical CAD oder kurz MCAD lautet denn auch, stets voll definierte Skizzen zu verwenden – solche also, deren Elemente sämtlich voll definiert sind. Denn nur dann sind auch die resultierenden Körper harmonisch durchkonstruiert, geometrisch stabil und leicht zu warten.

2.3 Das Feature die dritte Dimension

Aber es geht natürlich auch ganz ohne:

Schließen Sie die Skizze über das sogenannte Bestätigungs-Eckfeld rechts oben oder die Schaltfläche Skizze beenden, die oberste in der Symbolleiste Skizze gleich daneben.

Diese Schaltfläche besitzt also zwei Funktionen: Skizze ein und Skizze aus.

Die Skizze wird in Grau dargestellt, sie ist also geschlossen. Wir befinden uns jetzt wieder im Feature-Modus.

Klicken Sie den Eintrag der Skizze (-) Skizze<n> im FeatureManager an, um ihn zu aktivieren.

Die Skizze wird markiert. Jetzt können Sie sie in die dritte Dimension erheben:

Wählen Sie in der Symbolleiste Features den ersten Eintrag, Linear ausgetragener Aufsatz.

Die Skizze wird in die Isometrie gedreht und mit einer Vorschau des entstehenden Features ausgestattet. Diese ist in Gelb gehalten, der Farbe für temporäre Objekte (Abb. 2.8).

Abb. 2.8: Von wegen streng: Auch flüchtig hingeworfene Skizzen taugen zum 3D-Objekt!

Um die Tiefe des entstehenden Quaders einzustellen, können Sie entweder an dem grauen Pfeil ziehen, der lotrecht aus dem Objekt herausragt, oder im Feld Tiefe des PropertyManagers (Kasten) einen Zahlenwert einsetzen, der automatisch in Millimetern ausgeführt wird. Klicken Sie auf OK, so wird der Volumenkörper gebildet.

2.3.1 Variables Denken

Der neue Eintrag im FeatureManager wird, kaum überraschend, als Feature bezeichnet. Um aber den großen Vorteil des parametrischen Konstruierens kennenzulernen, öffnen Sie das Feature Aufsatz-Linear austragen<n>, indem Sie auf sein Icon klicken und aus der Kontext-Symbolleiste Feature bearbeiten wählen.

Hierauf erscheint wieder der PropertyManager mit den Eigenschaften des geöffneten Features.

Stellen Sie die Tiefe auf 5 mm ein und bestätigen Sie die Änderung mit Eingabe.

  • Das Feature wird geschlossen, die Änderung ins Modell übernommen (Abb. 2.9).

Abb. 2.9: Parametrik zum Ersten: Modelle lassen sich nachträglich ändern. Und zwar in Höhe, Breite und Tiefe

2.3.2 Absorbierte Features

Aber das ist noch nicht alles. Sie können ebenso die zugrunde liegende Skizze noch bearbeiten:

Links neben dem Eintrag des Aufsatzes erkennen Sie einen kleinen Pfeil. Klicken Sie darauf, um die Skizze anzuzeigen.

  • Öffnen Sie die Skizze über die Kontext-Symbolleiste Skizze bearbeiten.

  • Nun wird die Skizze geöffnet, Sie befinden sich wieder im Skizziermodus. Jetzt können Sie die Skizze festlegen, indem Sie sie mit Bemaßungen versehen:

Klicken Sie auf Normal auf. Die Skizze wird in die Lotrechte gedreht.

2.3.3 Steuernde Bemaßungen

Klicken Sie in der Symbolleiste Skizze auf Intelligente Bemaßung.

Wenn Sie CAD bereits kennen, ist das folgende Prozedere nichts Neues für Sie. Andernfalls:

  • Klicken Sie eine der Horizontalen an.

Auch hier haben Sie wieder die Wahl, ob Sie die gesamte Linie oder nacheinander deren beide Eckpunkte wählen. Letzteres ist hier aber noch nicht nötig.

  • Ziehen Sie das Maß aus der Kontur und klicken Sie es an seinen Bestimmungsort. Das Dialogfeld Modifizieren erscheint (Abb. 2.10).

  • Geben Sie ins Editierfeld Abstand den Wert in Millimetern ein, hier 29. Bestätigen Sie.

Hierauf wird das Maß eingetragen, die Horizontale auf 29 mm Länge justiert und die gesamte Skizze entsprechend skaliert – Sie erkennen das an der Veränderung des Zeichenrasters.

Die Intelligente Bemaßung in SolidWorks ist nichts anderes als die steuernde Bemaßung im MCAD allgemein: Eigentlich eine Sonderform der binären Skizzenbeziehung, verfügt sie über die Fähigkeit, Geometrie mit Zahlenwerten zu steuern.

Abb. 2.10: Einfügen der ersten intelligenten Bemaßung. Hierbei wird die Skizze automatisch skaliert

Geben Sie dann auf gleiche Art die Höhe zu 18 mm an (Abb. 2.11). Die Skizze wird zurechtgerückt.

Abb. 2.11: Black is beautiful: Die gesamte Skizze ist geometrisch festgelegt oder voll definiert

Das Rechteck ist vollständig schwarz, was bedeutet: Die Skizze ist voll definiert. Dies wird auch rechts unten in der Statuszeile von SolidWorks bestätigt.

Schließen Sie die Skizze, so wird auch diese Änderung sofort in den Volumenkörper eingepflegt (Abb. 2.12).

Abb. 2.12: Dieser Quader ist in Höhe, Breite und Tiefe exakt definiert

2.3.4 Speichern

Jetzt wird es Zeit, das Modell zu speichern. Legen Sie für die Modelle aller sechs Lehrbriefe ein gesondertes Verzeichnis an, denn schließlich gehören über 80 Einzel- teile und Baugruppen zu diesem Gerät:

  • Klicken Sie auf Speichern und legen Sie einen Neuen Ordner für das Projekt an. Nennen Sie ihn Drahthefter. Hier hinein legen Sie alle Bauteile aller Lehrbriefe.

Speichern Sie darin diese Datei unter B Stanzplatte. Das B steht für die Boden- gruppe, der dieses Bauteil angehören wird. Die Erweiterung sldprt wird von SolidWorks automatisch hinzugefügt (Abb. 2.13).

Abb. 2.13: Ordnung im Kopf: Jeder Baugruppe ein Verzeichnis. Mindestens.

2.4 Historie und Parametrik: Das logische Gerüst

Sie werden jetzt fragen, was dieser ganze Aufwand eigentlich bringen soll, besonders wenn Sie schon mit Direktmodellierern wie Rhino oder CoCreate gearbeitet haben. Nun, die Antwort ist einfach: Totale Kontrolle, zu jedem Zeitpunkt, in jedem Stadium. Zumindest möchte man das gerne. Alles in SolidWorks wird

  • erstens in der Reihenfolge der Entstehung im FeatureManager dem sogenannten Historienbaum – aufgeführt und

  • zweitens durch Parameter gesteuert. Das Wort bedeutet „Beiwert“ und stellt das griechische Äquivalent der lateinischen Variablen dar. Ein Parameter verbindet also einen Wert mit einem Namen und ist explizit gegeben.

Das sind denn auch die Zauberworte bei dieser Art von Konstruktionsprogrammen: SolidWorks ist ein parametrisch-historienbasiertes 3D-CAD-System. Die Kurzfassung dieses Monsters heißt, wie erwähnt, Mechanical CAD oder noch kürzer MCAD.

2.4.1 Das Maßsystem

In SolidWorks können Sie die Maße aber auch ganz ohne Skizziermodus ändern:

  • Führen Sie im FeatureManager einen Doppelklick auf das Symbol der Skizze oder das des ganzen Features aus – Icon, nicht Text! –, und die Maßzahlen erscheinen wie in Abb. 2.14. Skizzenmaße sind schwarz, Maße von Features dagegen in Blau eingetragen.

  • Ein Doppelklick auf das Breitenmaß, und die Maßzahl wird wieder zum Modifizieren angeboten. Ändern Sie das Breitenmaß probeweise auf 39, bestätigen Sie und …

nichts tut sich.

Abb. 2.14: Einstellen bestehender Skizzenmaße ohne den PropertyManager

2.4.2 Modell neu aufbauen

Haben wir was vergessen? Nein, nur im Gegensatz zur Bearbeitung im Skizzenmodus erfordert die Direktbearbeitung einen weiteren Schritt: Wir müssen das Modell regenerieren.

Hierzu dient die kleine „Ampel“, die Sie wahrscheinlich schon gesehen haben, der Modellneuaufbau. Sie befindet sich jeweils in der Symbolleiste Standard, in manchen Features und – sehr praktisch zum Experimentieren – im Dialogfeld Modifizieren (vgl. Abb. 2.14): So können Sie Änderungen im Voraus beurteilen und das Ganze notfalls abbrechen – no harm, no foul (Abb. 2.15)!

Abb. 2.15: Das Material ist zwar noch (nicht festgelegt), aber es handelt sich eindeutig um irgendeine Art Schaumgummi

Ändern Sie die Länge dann wieder auf 29 mm.

Speichern und schließen Sie das Bauteil über das Menü Datei.

Der große Vorteil dieser analytischen Arbeitsweise ist, dass Sie zu jeder Zeit Änderungen im und am Modell vornehmen können. Zum Beispiel können Sie wie ein Holzschnitzer Schlitze und Schrägen und Nuten

Später! Zunächst passen wir die Oberfläche fertig an.