Lektion Fortschritt:

Konturschonendes Anfahren – Teil 1

Lernziele

Nach dem Durcharbeiten des Kapitels kennen Sie

  • die Möglichkeiten des schonenden Anfahrens an Werkstückkonturen,
  • weitere Möglichkeiten der Programmierung für das konturschonende Anfahren an Werkstückkonturen mit der Siemens Sinumerik.

Wie ich schon bei unserem ersten Fräswerkstück in Lehrbrief 3, Übung16, erwähnt habe, sollten wir möglichst schonend an eine Werkstückkontur anfahren. Aber was steckt hinter diesem Vorgang des konturschonenden Anfahrens und warum wird dieser Vorgang durchgeführt?

Diese Fragen werden wir gemeinsam beantworten. Ein Anstellen direkt an die Kontur führt zu einem kurzzeitigen Verweilen am Werkstück. Sie erhalten eine winzige Fräsmarke (=Beschädigung der Kontur) an der Anfahrposition. In Abb. 1.1 ist das anschaulich dargestellt.

Abb. 1.1: Konturverletzung

Um dies zu vermeiden, sollten wir, wenn möglich, die Kontur in den Bereich außerhalb des Werkstückes verlängern und diese außerhalb des Werkstückes anfahren. Dies kann durch die Wahl einer achsparallelen Geraden als Verlängerung der Kontur realisiert werden. Damit ist eine rechnerisch einfache Positionierung durchführbar.

Tangentiales An- und Abfahren

Ist das nicht möglich, z. B. bei der Fertigung von Innenkonturen, dann soll in einem Kreisbogen tangential an- und abgefahren werden.

Abb. 1.2: Tangentiales Anfahren

Lassen Sie uns den Vorgang des Anfahrens mit dem Einschalten der Werkzeugradiuskorrektur noch einmal in den Grundzügen wiederholen.

Nach der Anwahl der Werkzeugradiuskorrektur muss ein Verfahrweg an die Kontur erfolgen. Dieser kann bei vielen Steuerungen nur mit G0 oder G1 ausgeführt werden. Aus Zeitgründen und somit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit soll dieser Weg so klein wie möglich sein. Bei den meisten Steuerungen genügt 1 Inkrement = 0.001 mm. Das ist aber umständlich zu programmieren. Deswegen die Empfehlung, mindestens 1 mm zu programmieren.

Am Anfang, wenn Sie noch nicht so tief mit der Programmiertechnik und der Maschine vertraut sind, sollte der Grundgedanke der Sicherheit vorherrschen. Deshalb haben wir in Übung 16 einen Sicherheitsabstand von 5 mm gewählt. Bei aktiver Werkzeugradiuskorrektur sollte in der Z-Achse nicht verfahren werden. Bei den meisten Steuerungen muss nach der Abwahl der Werkzeugradiuskorrektur mit G40 eine Position in der X-/Y-Ebene programmiert werden. Diese Position bezieht sich wieder auf den Fräsermittelpunkt. Erst danach soll in der Z- Achse eine Bewegung ausgeführt werden.

Setzen wir nun das Gelernte gleich in unserer nächsten Übungsaufgabe um.

Übung

Übung 17

Abb. 1.3: Übung 17

Hier, wie gewohnt, noch einige ergänzende Informationen, die wir zur Bearbeitung dieses Werkstückes benötigen:

Werkstoff: AL-Knetlegierung

Rohteilmaße: Länge 150 mm × 150 mm × 20 mm (Länge × Breite × Dicke)

Maschinenauswahl für die Programmierung und Simulation: DEMO- Fräsmaschine

Name des Werkstückordners und des Hauptprogramms: UEBUNG_17

Für die Bearbeitung sollen so stabile Werkzeuge als möglich verwendet werden.

Die Außenkontur weist eine Tiefe von 10 mm auf und wird mit einem Schaftfräser Ø 25 gefräst.

Die Innenkontur weist ebenfalls eine Bearbeitungstiefe 10 mm auf und soll mit einem Langlochfräser Ø 16 mm hergestellt werden. Beide Fräser sollen aus Hartmetall sein. Zu dieser Werkzeugauswahl folgen später bei der Erstellung des Einrichteblattes noch konkretere Informationen. Die Außenkontur und die Innenkontur sind jeweils vor bearbeitet und weisen ein Aufmaß von 1 mm in allen Achsen auf. Eine Vorbearbeitung ist deshalb nicht nötig.

Beide Konturen sollen im Gleichlauffräsen angefertigt werden. Die vorgegebene Anfahrbewegung an die Außenkontur ist einzuhalten. Das Anfahren an die Innenkontur muss selbstständig festgelegt und ausgeführt werden.

Wir werden die Arbeitsplanung und die Programmierung gemeinsam durchführen. Die Technologiedaten wie Schnittgeschwindigkeit Vc, Vorschub je Zahn fz sowie die Drehzahl n und die Vorschubgeschwindigkeit Vf werden Sie selbstständig ermitteln bzw. berechnen können.

Analyse der technischen Zeichnung

Analysieren wir zunächst die technische Zeichnung. Den Werkstücknullpunkt legen wir an die Stelle des Werkstückes, von dem aus die meisten Maße der technischen Zeichnung ausgehen. Es ist der Punkt links oben am Werkstück.

Demnach stellen wir fest:

wenn wir das kartesische Koordinatensystem zu Grunde legen, verlaufen die Maße in de X-Achse in positive Richtung und die Maße der Y-Achse in negative Richtung.

Abb. 1.4: Werkstücknullpunkt

Wir werden eine Außenkontur mit verschiedenen Kreisbewegungen durchführen. Dies stellt nach jetzigem Kenntnisstand kein größeres Problem mehr dar. Des Weiteren ist eine Innenkontur in Form einer Kreistasche mit Ø 40 mm herzustellen. Auch dies wird keine größere Schwierigkeit sein. Das Anfahren an die Außenkontur wird in einer Viertelkreisbewegung auf den Startpunkt der Kontur bei den Koordinaten X60 Y-8 erfolgen. Das Anfahren an die Innenkontur legen wir selbst fest. Um Konturschonend an die vorgefertigte Innenkontur anzufahren, wählen wir auch hier die An- und Abfahrbedingung im Viertelkreis. Erstellen wir nun mit diesen Kenntnissen das Einrichteblatt.

Bei der Auswahl des Werkzeuges müssen wir diesmal auf folgende Besonderheiten achten. Wir müssen eine Innenkontur anfertigen, die zwar bereits vorgearbeitet ist, dennoch müssen wir in der Tiefe 1 mm für die Fertigbearbeitung abfräsen. Wir müssen also mit dem auszuwählenden Fräser in das Material eintauchen. Dies ist mit einem herkömmlichen Schaftfräser nicht möglich, da die Schneiden eines Schaftfräsers nicht über die Werkzeugmitte verlaufen. Dies hat zur Folge, dass das Werkzeug beim eintauchen in das Material nicht schneidet sondern drückt. Das Werkzeug würde brechen. Wir verwenden für unsere Bearbeitung einen Langlochfräser.

Ein Langlochfräser ist eine Sonderform eines Schaftfräsers. Der Unterschied zu einem herkömmlichen Schaftfräser ist der, dass der Langlochfräser mindestens eine Schneide besitzt, die über den Fräsermittelpunkt verläuft. Diese Schneide ist die so genannte Stirnschneide. Somit ist ein schneidendes Eintauchen in das volle Material möglich. Der Langlochfräser besitzt Stirnschneiden, welche über die Mitte reichen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Schaft- und Langlochfräser ist, dass der Langlochfräser in den meisten Fällen weniger Schneiden aufweist als der Schaftfräser. Am häufigsten besitzen Langlochfräser zwei bis drei Schneiden.

Im Schema betrachtet sieh dies folgendermaßen aus:

Abb. 1.5: Schema Schaftfräser, Langlochfräser

Dies bringt uns zu der Erkenntnis, dass wir die Außenkontur mit einem anderen Fräser anfertigen als bei der Innenkontur. Wir treffen folgende Auswahl:

Station1 – Schaftfräser Ø 25 mm – HM – SCHAFTFR_25 Schneidenanzahl: 6

Station2 – Langlochfräser Ø 16 mm – HM – LANGLFR_16 Schneidenanzahl: 3

Nachdem wir das Werkzeug festgelegt haben überlegen wir uns nun, wie wir das Werkstück spannen. Das Rohteil hat die Abmaße 150 × 150 × 20. Die Backenhöhe des Schraubstockes beträgt 30 mm. Die größte zu bearbeitende Tiefe ist 10 mm. Da die Werkstückdicke 20 mm misst, muss die Einspanntiefe kleiner als 10 mm sein. Eine Unterlagenhöhe von z. B. 22 mm ist hier richtig.

Legen wir nun die Definition Rohteil virtuelle Maschine fest. Wie bereits erwähnt, legen wir mit der Definition der Eckpunkte 1 und 2 das Rohteil sowie die Nullpunktlage des Werkstückes für unsere virtuelle Maschine fest. Bestimmen wir die Eckpunkte 1 und 2 noch einmal zusammen mit Hilfe von Abb. 1.6.

Abb. 1.6: Eckpunktbestimmung

  • Eckpunkt 1 befindet sich, bezogen auf unseren festgelegten Werkstücknullpunkt in
    X0 = 0
    Y0 = 0
    ZA = 0

  • Eckpunkt 2 befindet sich, ebenfalls bezogen auf den festgelegten Werkstücknullpunkt bei:
    X1 = 150
    Y1 = -150
    ZI = -20

Übertragen Sie nun alle durchgesprochenen Daten in das Einrichteblatt. Fahren wir nun mit dem Arbeitsplan fort.

Pos.-Nr. 1 und Pos.-Nr. 2 definieren unsere Standardarbeitsschritte. Bei Pos.-Nr. 1 kontrollieren wir die Rohmaße des Rohteils. Bei Pos.-Nr. 2 wird das Werkstück nach Einspannskizze gespannt.

Nachdem wir das Werkstück sachgemäß gespannt haben, fertigen wir bei Pos.- Nr. 3 die Außenkontur mit Tiefe 10 mm an. Wählen bzw. berechnen Sie an dieser Stelle bitte die Technologiewerte für den Schaftfräser Ø 25 mm bitte selbst. Ver- wenden Sie dazu die Tabelle Abb. 5.15 aus LB4. Ist die Außenkontur fertig bearbeitet, fahren wir bei Pos.-Nr. 4 nun mit dem anfertigen der Innenkontur mit der Tiefe von 10 mm fort. Berechnen Sie bitte auch hier die fehlenden Technologiewerte für die Drehzahl und für die Vorschubgeschwindigkeit selbstständig. Verwenden Sie dazu die gleichen Technologiewerte wie für den Schaftfräser. Bei Pos.-Nr. 5 spannen wir das Werkstück aus. Anschließend entgraten wir das Werkstück und führen die Qualitätskontrolle unter Pos.-Nr. 6 durch. Übertragen Sie die besprochenen Daten nun in das dafür vorgesehene Formular Arbeitsplan Fräsen.

Einen Lösungsvorschlag für das Einrichteblatt bzw. für den Arbeitsplan können Sie sich hier herunterladen.

Download Arbeitsplan Übung 17

Download Einrichteblatt Übung 17

Wir haben die Arbeitsplanung abgeschlossen, beginnen wir nun mit der Programmvorbereitung.