Lektion Fortschritt:

Zentrieren, Bohren, Gewindeschneiden mit Siemens Sinumerik – Teil 4

Bemaßung von Bohrungen

Besondere Beachtung bei der Anfertigung aller Bohrungen gilt der Bemaßung der Bohrungstiefe. Es gibt zwei Möglichkeiten wie Bohrungen bemaßt werden können. Einmal die Bemaßung bis zur Bohrungsspitze und einmal die Bemaßung ohne die Bohrungsspitze.

Abb. 3.16: Bemaßung mit Bohrerspitze

Abb. 3.17: Bemaßung ohne Bohrerspitze

Die Werkzeugeinstellmaße eines Bohrers beziehen sich auf die Bohrerspitze. In den Fertigungszeichnungen ist meistens bei Sacklochbohrungen die nutzbare Bohrtiefe (= zylindrische Bohrtiefe), also die Bemaßung ohne die Bohrerspitze, angegeben. Bei Durchgangsbohrungen ist die Plattendicke die nutzbare Bohrtiefe. In beiden Fällen ist die Bohrerspitze zu berücksichtigen, d. h., dass Sie die Bohrtiefe um das Maß der Bohrerspitze verlängern müssen. Dieses Maß lässt sich aus dem schraffierten Dreieck aus folgendem Schema errechnen:

Abb. 3.18: Bohrungstiefe

Dieses schraffierte Dreieck müssen wir berechnen. Wir wollen uns aber nicht in die Winkelfunktionen vertiefen. Davon abgeleitet verwenden wir eine Faustformel. Diese lautet bei einem Bohrer mit einem Spitzenwinkel von 118°:

Bohrerspitze = 0.3 x Bohrerdurchmesser

Für den Bohrer Ø 6 mm sieht die Berechnung so aus:

t = 0.3 × 6 mm

t = 1.8 mm

Bei unserer Übungsaufgabe sind die Bohrungen einschließlich der Bohrerspitze bemaßt. Hier können wir also das angegebene Maß direkt in unsere Arbeitsplanung übernehmen, ohne irgendetwas berechnen zu müssen. Die Bohrtiefe beträgt bei den Gewindebohrungen 14 mm. Wie bereits erwähnt, ist dies die Ausnahme. Wir werden in folgenden Übungsaufgaben auch die andere Variante, die Bemaßung der nutzbaren Bohrungstiefe, programmieren.

Pos.-Nr. 10 unseres Arbeitsplanes beinhaltet das Anfertigen der Kernlochbohrungen für die Gewindebohrungen M6 6 bis 9 (BOHRBILD_2). Technologiewerte, Bohrtiefe und das Werkzeug bleiben gleich.

Anschließend fertigen wir bei Pos.-Nr. 11 die Bohrungen 3 bis 5 mit einem HSS- Bohrer Ø 6 mm an (BOHRBILD_3). Die Bohrtiefe beträgt, laut technischer Zeichnung, bis zur Bohrerspitze 12 mm. Hier können Sie nun die Technologiewerte für die Drehzahl und Vorschubgeschwindigkeit selbstständig berechnen. Rechnen Sie mit folgenden Werten:

Laut Abb. 3.15 bleibt der Wert für die Schnittgeschwindigkeit gleich, also Vc = 30 m/min. Der Wert für Vorschub fz ändert sich auf 0,12 mm/U.

Pos.-Nr. 12 beinhaltet nach festgelegtem Arbeitsablauf das Bohren der Bohrungen 10 bis 15 (BOHRBILD_4). Der Bohrdurchmesser und somit das Werkzeug, die Technologiedaten und die Bohrtiefe bleiben dieselben wie bei Arbeitsschritt Pos.-Nr. 11.

Als letzte Bearbeitung fehlt jetzt nur noch das Gewindebohren der M6 Gewinde. Als Erstes bohren wir bei Pos.-Nr. 13 die Gewinde für die Bohrungen 1 und 2 (BOHRBILD_1). Die Technologiedaten für das Gewindebohren finden wir wieder in entsprechenden Tabellen der Werkzeughersteller der verwendeten Gewindebohrer. Diese Tabellen sind natürlich abhängig vom gewählten Schneidstoff des Gewindebohrers. Wir haben laut Einrichteblatt einen Gewindebohrer aus Hartmetall gewählt. Ich gebe Ihnen den Technologiewert für die Schnittgeschwindigkeit mit Vc =15 m/min vor. Beim Gewindebohren gibt die Gewindesteigung des herzu- stellenden Gewindes den Vorschub vor, deshalb muss hier keine Vorschubgeschwindigkeit programmiert werden. Die Steuerung ermittelt den Vorschub über den Steigungswert, der im Herstellerzyklus für das Gewindebohren parametriert wird. Der Anschnitt des Gewindebohrers beträgt 2 mm. Laut unserer technischen Zeichnung beträgt die nutzbare Gewindelänge 10 mm. Auf diesen Wert müssen wir, wie bereits bei den Erläuterungen zum Gewindeschneiden bei der Auswahl der Werkzeuge im Rahmen der Erarbeitung unseres Einrichteblattes erwähnt, die Anschnittlänge aufaddieren. Somit beträgt die zu programmierende Gewindetiefe 12 mm. Berechnen Sie nun die Drehzahl für das Gewindebohren nach bekannter Formel bitte selbstständig.

Das Gewindebohren der Gewinde M6 bei den Bohrungen 6 bis 9 (BOHRBILD_2) findet bei Pos.-Nr. 14 statt. Die Technologiewerte können Sie natürlich vom vorherigen Arbeitsschritt übernehmen.

Als letzter Arbeitsgang in unserem Arbeitsplan findet bei Pos.-Nr. 15 das Auspannen und Entgraten des Werkstückes mit Qualitätskontrolle statt.

Übertragen Sie nun diese Ausarbeitungen in den Arbeitsplan.

Zur Kontrolle Ihrer Ausarbeitungen finden Sie hier einen Lösungsvorschlag für das Einrichteblatt und den Arbeitsplan in gewohnter Art und Weise.

Download Arbeitsplan Übung 19

Download Einrichteblatt Übung 19

Programmbefehl MCALL

Bevor wir nun mit dem Programmieren beginnen, werde ich Ihnen an dieser Stelle die Programmierstruktur eines CNC-Programms bei der Anwendung von Herstellerzyklen, die mehrmals hintereinander, an verschiedenen Positionen abgearbeitet werden, näher erklären und aufzeigen. Für diese Fälle bietet die Siemens 840D die Möglichkeit diese Herstellerzyklen über den Befehl MCALL beliebig oft aufzurufen. Dies ist möglich, weil in den Herstellzyklen nur die geometrischen und teilweise technologischen Daten, wie z. B. beim Bohrzyklus die Bohrtiefe usw., programmiert werden, nicht aber die Positionen an denen diese Zyklen abgearbeitet werden sollen. Folgende Darstellung eines beispielhaften CNC-Programms soll Ihnen den nötigen Überblick und die Klarheit verschaffen, wie wir dies im CNC- Programm umsetzen können.

Hier noch einige ergänzende Informationen zu dieser Übersicht zur Programmstruktur:

  • Der Befehl MCALL vor dem eigentlichen Zyklus bedeutet, dass der programmierte Zyklus mehrmals hintereinander aufgerufen werden kann.

  • Der Befehl MCALL nach dem Unterprogrammaufruf von BOHRBILD_1 bedeutet, dass der aktuell programmierte Zyklus CYCLE84 deaktiviert wird und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufgerufen werden kann.

  • Der Zyklus CYCLE84 wird an den Positionen abgearbeitet, die im Unterprogramm BOHRBILD_1 programmiert sind (diese Positionen bzw. Positionsänderungen müssen mit G0 programmiert sein. Dieser G0 ist sozusagen dann die Initialisierung für die Abarbeitung des programmierten Zyklus).

  • Die Koordinaten für die Positionen, an denen der Zyklus abgearbeitet werden soll, müssen nicht zwangsläufig in einem Unterprogramm programmiert werden. Dies ist hier nur beispielhaft angegeben. Diese Koordinaten können auch direkt im Hauptprogramm programmiert werden.

Wie diese Zyklen und der Befehl MCALL programmiert und aufgerufen werden, werden wir bei der Programmierung unserer Übungsaufgabe gemeinsam erarbeiten.

Fahren wir nun, nachdem wir diese komplexe Analyse und Arbeitsplanung für unsere Übungsaufgabe erfolgreich abgeschlossen haben, mit der Programmvorbereitung fort.

Programmierung Übung 19

Starten Sie die DEMO- Fräsmaschine in SinuTrain. Legen Sie als Erstes im Werkzeugmagazin der virtuellen Maschine folgende Werkzeugliste gemäß dem Einrichteblatt an:

Abb. 3.19: Werkzeugliste Übung 19

Nach dem Einrichten und Rüsten des Werkzeuges beginnen wir nun mit dem Programmieren der Unterprogramme für die einzelnen Bohrbilder. Wie wir bei der Erarbeitung der Programmstruktur und bei der Analyse der technischen Zeichnung erarbeitet haben, ist es für unser Beispiel sinnvoll die Unterprogrammtechnik für die Programmierung der Koordinaten der verschiedenen Bohrungen anzuwenden. Beginnen wir mit dem Unterprogramm für BOHRBILD_1. Legen Sie hierfür im Werkstückordner UEBUNG_19 ein Unterprogramm mit dem Namen BOHRBILD_1 an. Wenn Sie alles richtig durchgeführt haben, müsste der Editor nun geöffnet sein. Beginnen wir mit der Erstellung des Programms. Der erste Programmsatz ist ein Kommentar, der den Namen und den Inhalt des Unterprogramms beinhaltet.

N10 ; Gewindebohrungen 1 und 2 M6 BOHRBILD_1

Im zweiten Satz geben wir die Koordinaten der ersten Gewindebohrung an. Da wir Positioniervorgänge immer im Eilgang durchführen, programmieren wir diese Koordinaten mit G0. Gewindebohrung 1 liegt in der X-Achse bei 15 mm und in der Y-Achse bei 100 mm. Wir programmieren also für die Gewindebohrung 1 folgenden Satz:

N20 G0 X15 Y100

Als nächstes folgt die Koordinate der Gewindebohrung 2. Auch hier positionieren wir wieder im Eilgang, also mit G0. Die Koordinaten von Gewindebohrungen liegen in der X-Achse bei 15 mm und in der Y-Achse bei 60 mm. Da sich der Koordinatenwert der X-Achse nicht verändert, müssen wir diesen auch nicht mit programmieren. Wir programmieren somit für Gewindebohrung 2:

N30 G0 Y60

Wir beenden unser Unterprogramm in gewohnter Weise mit M17.

N40 M17

Fassen wir unser Unterprogramm BOHRBILD_1 zusammen:

N10 ; Gewindebohrungen 1 und 2 M6 BOHRBILD_1

N20 G0 X15 Y100

N30 G0 Y60

N40 M17

Programmieren wir nun das Unterprogramm für das zweite Bohrbild. Legen Sie dazu im Werkstückordner UEBUNG_19 wiederum ein Unterprogramm mit dem Namen BOHRBILD_2 an. Der erste Satz im Unterprogramm BOHRBILD_2 beinhaltet den Kommentar mit dem Namen und dem Inhalt des Unterprogramms.

N10 ; Gewindebohrungen 6 bis 9 M6 BOHRBILD_2

Auch hier positionieren wir nacheinander im Eilgang die verschiedenen Koordinaten der Gewindebohrungen. Probieren Sie die folgenden Sätze selbstständig zu vervollständigen.

Ich denke dies war kein größeres Problem für Sie, schließlich haben wir in den vorherigen Lehrbriefen schon viel komplexere Aufgaben bewältigt. Hier für Ihre Überprüfung das gesamte Programm von BOHRBILD_2:

N10 ; Gewindebohrungen 6 bis 9 M6 BOHRBILD_2

N20 G0 X40 Y60

N30 G0 Y100

N40 G0 X80

N50 G0 Y60

N60 M17

Fahren wir nun mit dem Programmieren der Koordinaten für Bohrbild 3 fort. Legen Sie hierfür ein Unterprogramm mit dem Namen BOHRBILD_3 im Werkstückordner UEBUNG_19 an. Der erste Satz enthält, wie gewohnt, den Namen und Inhalt des Unterprogramms. Im folgenden Satz programmieren wir die erste Koordinate, es ist die Koordinate von Bohrung 3. Diese Koordinaten liegen in der X-Achse bei 15 mm und in der Y-Achse bei 80 mm. Wir programmieren:

N10 ; Bohrungen 3 bis 5 Ø 6 mm BOHRBILD_3

N20 G0 X15 Y80

Die Koordinaten für die Bohrungen 4 und 5 weisen einige Besonderheiten auf, die Sie noch nicht kennen. Deshalb gehe ich an dieser Stelle noch einmal näher auf die geometrischen Grundlagen zur Koordinatenbestimmung ein. Bis jetzt hatten wir in unseren Übungsaufgaben ausschließlich Koordinaten, die im kartesischen Koordinatensystem mit den Koordinaten der X, Y und Z Achsen bestimmt wurden. Wir haben bereits in Lehrbrief 1 gelernt, dass wir die Koordinaten immer so programmieren müssen, wie diese auf der technischen Zeichnung angegeben bzw. bemaßt sind. Wenn wir diesen Grundsatz in die Analyse der Koordinaten der Bohrungen 4 und 5 mit einbeziehen, fällt uns auf, dass diese Bohrungen mit einem Winkel bezogen zur Abszisse des kartesischen Koordinatensystems und einer Länge bezogen auf einen Ursprungspunkt bemaßt sind.