Lektion Fortschritt:

Lernziele

Nach dem Durcharbeiten des Kapitels

  • kennen Sie den Aufbau der Materie und die Wirkungsweise elektrischer Kräfte
  • kennen Sie unterschiedliche Ladungen und die Erscheinungsformen der Elektrizität
  • kennen Sie unterschiedliche Elemente und die Einteilung in Gruppen
  • kennen Sie die Bedeutung des Metalls Kupfer für die Elektronik.

2 Allgemeine Grundlagen der Elektronik
(Teil 1)

2.1 Der Aufbau der Materie – Atome

„Was hat denn der Aufbau der Materie mit der Elektronik zu tun?“ werden Sie sich vielleicht beim Lesen dieses Titels gefragt haben. Nun, wir haben keineswegs unser Ziel aus den Augen verloren, aber um Sie gründlich und kompetent in die Elektronik einführen zu können, müssen Sie zuerst über die eigentlichen Grundlagen Bescheid wissen. Aus diesem Grunde beginnen wir hier mit dem Aufbau der Materie. Die Kenntnisse, die Sie sich in diesem Kapitel aneignen, werden Ihnen später für das tiefere Verständnis vieler elektronischer Phänomene und der Arbeitsweise der darauf beruhenden Bausteine von großem Nutzen sein.

Bereits vor etwa 2400 Jahren vermuteten die griechischen Philosophen Leukippos und Demokrit, dass alle Dinge der Natur, auch der Mensch, die Blumen, die Steine, das Wasser und die Luft – aus winzigen, unteilbaren und wegen ihrer Kleinheit nicht mehr sichtbaren Teilchen bestehen würden. Sie nannten diese Teile Atome, was auf griechisch soviel wie unteilbar bedeutet.

Demokrit nahm ferner an, dass alle Atome aus demselben Urstoff beschaffen, jedoch von verschiedener Form seien. Die gegenseitige Lage und Anordnung dieser Atome bestimme die Verschiedenheit der Materie, genauso wie aus den nämlichen Buchstaben ein trauriges oder lustiges Theaterstück, also eine Tragödie oder eine Komödie geschrieben werden könne.

Heute wäre Demokrit nicht wenig verblüfft angesichts der Tatsache, dass seine Vermutung einen überraschend richtigen Kern hatte und somit sehr scharfsinnig war. Freilich hat sich inzwischen herausgestellt, dass es etwa 100 verschiedene Atome gibt und dass dieses „Unteilbare“ sehr wohl in weitere Teile zerlegt werden kann. Halten wir vorderhand fest:

In den Jahren um 1805 griff der Engländer Dalton jene alte griechische Atomhypothese wieder auf und erhärtete sie durch mehrere Beobachtungen zur Atomtheorie.

Ein besonderes Verdienst Daltons war die Veranschaulichung seiner Theorie durch ein physikalisches Atom-Modell. Dalton stellte die Atome durch Kugeln dar, die je nach der Materie in verschiedenartiger Weise geordnet sind.

In Abb. 2.1 sehen Sie einen Ausschnitt aus einem festen Stoff mit der von Dalton entwickelten Darstellungsart der Atome. Die abgeschnittene Ecke gibt Einblick in die Schicht mit den am dichtesten zusammenliegenden Atomen.

Nun müssen wir uns aber ganz allgemein davor hüten, solche Modelle etwa der Wirklichkeit gleichzusetzen zu wollen. Wohl sprechen wir etwa von einem Schiffs- oder einem Flugzeugmodell und meinen damit eine meist verkleinerte aber sonst naturgetreue Nachbildung eines Gegenstands.

Ein physikalisches Modell hingegen ist etwas ganz anderes, nämlich eine Hilfsvorstellung, eine gedankliche Konstruktion, die uns das Verstehen erleichtern soll. Dabei nehmen wir bekannte und vertraute Begriffe und Zusammenhänge zu Hilfe, um die unbekannten oder unsichtbaren Erscheinungen zu beschreiben und zu begreifen.

Ein physikalisches Modell soll uns demnach nicht unbedingt das Aussehen, sondern mehr die Arbeitsweise, das innere Zusammenspiel der Kräfte vor Augen führen.

Natürlich kommt ein Modell, das verhältnismäßig viele Erscheinungen erklären kann, der Wirklichkeit näher als ein Modell, das nur für besondere Fälle brauchbar ist. Wie die Wirklichkeit aber genau aussieht, das eben, vermag niemand zu sagen.

Abb. 2.1:
Würfelförmiger Ausschnitt aus einem festen Stoff. Die abgeschnittene Ecke gibt Einblick in die Schicht mit den am dichtesten zusammenliegenden Atomen.

Im Jahre 1911 gelang Ernest Rutherford der nächste Schritt bei der Entwicklung eines brauchbaren Atommodells. Er fand, dass ein Atom ein winziges, aber äußerst schweres Zentrum, den Atomkern hat. In relativ großem Abstand umkreisen ihn noch kleinere Teilchen, die Elektronen. Danach besteht also ein Atom zum überwiegenden Teil aus leerem Raum! (Abb. 2.2).

Wenn Sie sich ein Bild von den Größenverhältnissen machen wollen, dann müssen Sie in Gedanken ein Atom so weit vergrößern, bis es schließlich die Größe
eines Leichtathletikstadion erreicht. Die kreisenden Elektronen sausen nun über den Köpfen der Zuschauer hinweg. Und der Atomkern? Er befindet sich in der Mitte des Stadions und hat ungefähr die Größe einer Erbse!

Nun werden Sie sich fragen, wie kann man sich bei so winzigen Teilchen und so großen leeren Räumen die Festigkeit der Stoffe erklären? Nun, es ist eben diese
riesige Geschwindigkeit, mit der die Elektronen um den Atomkern rasen. Sie machen in einer Sekunde Billiarden von Umläufen, sie sind gewissermaßen „überall zugleich“ und füllen so scheinbar den leeren Raum als Folge ihrer Geschwindigkeit aus.

Die Masse eines Atoms wird praktisch nur von seinem Kern bestimmt. Der Kern ist mehrere tausendmal schwerer als alle ihn umkreisenden Elektronen zusammen.

Dazu ein Beispiel, das allerdings Ihr Vorstellungsvermögen arg strapaziert: Wenn es möglich wäre, einen Stecknadelkopf ausschließlich und ohne Zwischenräume mit Atomkerne vollzupacken, dann hätte dieser Stecknadelkopf eine Masse von mehreren Millionen Kilogramm!

Uns interessieren hier allerdings weniger die Atomkerne als vielmehr die Frage: Welche Kräfte fesseln Atomkerne und Elektronen aneinander? Besonders, weil sie doch verhältnismäßig weit voneinander entfernt sind.

Nun, solche Fragen führen uns an den Kern der Elektronik heran. Die Bestandteile des Atoms sind nämlich elektrisch geladen, und weil diese Ladungen mit ihren Trägern eine Einheit bilden, dürfen wir sogar sagen:

Abb. 2.2:
Die Elektronen umkreisen den Atomkern in großem Abstand

Lassen Sie uns also untersuchen, wie diese elektrischen Kräfte zustande kommen.

2.2 Die elektrischen Kräfte

Reibt man z.B. Bernstein an einem Pullover, dann kann man beobachten, dass kleine Stoffteilchen angezogen werden. Diese Eigenschaft veranlasste im Jahre 1733 den Franzosen Charles du Fay, sich mit der elektrischen Anziehungskraft zu befassen.

Er rieb außer Bernstein noch verschiedene andere Materialien, z.B. Glas. Diese Materialien benutzte er in Form von Stäben, die er leicht beweglich aufhängte. Dem aufgehängten Stab näherte du Fay nun einen zweiten geriebenen Stab und beobachtete ihr Verhalten. dabei stellte er folgendes fest:

Verwendete er verschiedene Materialien für die beiden Stäbe, z.B. Glas und Bernstein, dann zogen sie einander an.

Bestanden jedoch die beiden Stäbe aus dem gleichen Material, so stießen sie einander ab!

Aufgrund dieser Feststellung teilte er nun alle Materialien, die durch Reiben „elektrisch“ gemacht werden können, in zwei Gruppen ein: Die eine Gruppe wird von geriebenem Bernstein angezogen und von geriebenem Bernstein abgestoßen. Bei der zweiten Gruppe ist es gerade umgekehrt.

Charles du Fay zog aus seinen Versuchen den wichtigen Schluss, dass es zwei Elektrizitätsarten gibt, die sich durch Reiben erzeugen lassen.

Erst viel später bezeichnete man dann auf die auf dem Glas entstehende Elektrizität als positive Ladung, die auf dem Bernstein entstehende als negative Ladung. Mit diesen Bezeichnungen können wir das Resultat der erwähnten Versuche zusammenfassen:

Wenn wir uns diese Ladungen als kleine Körperchen vorstellen, die an dünnen Fäden aufgehängt sind, dann können wir ihre Wirkung aufeinander etwa wie in Abb. 2.3 darstellen:

Wenn Sie nun an den geriebenem Bernstein zurückdenken, der kleine Teilchen anzuziehen vermochte, dann werden Sie vielleicht einwenden, dass diese Teilchen doch gar nicht elektrisch geladen waren. Dieser Einwand ist völlig berechtigt. Wir wollen deshalb diesen Vorgang etwas näher erklären.

Befestigen wir ein positives Ladungskörperchen und ein gleich großes, aber negatives Ladungskörperchen an dem gleichen Faden und hängen sie in die Nähe eines dritten, beispielsweise positiven Ladungskörperchens (Abb. 2.4).

Da nun die Ladung bei B von A sowohl angezogen als auch mit der gleichen Kraft abgestoßen wird, heben sich die Kräfte auf, sie neutralisieren sich. Man sagt auch: Der Punkt A hat keine elektrische Ladung, er ist neutral. Merken Sie sich also:

In einem elektrisch neutralen Körper sind immer gleich viele positive und negative Ladungen enthalten.

a)

b)

c)

Abb. 2.3:
a) und
b) gleichartige Ladungen stoßen sich ab,
c) ungleichartige ziehen sich an

Abb. 2.4:
Anziehung und Abstoßung neutralisieren sich

In Abb. 2.5 sehen sie einen neutralen Körper, bei dem die positiven und negativen Ladungen gleichmäßig verteilt sind.

Erst wenn nun im ganzen Körper, oder auch nur in einem Teil davon, die eine oder die andere Ladungsart überwiegt, kann man diesen Körper oder diesen Körperteilals elektrisch geladen bezeichnen.

Bringt man nun einen geladenen Körper in die Nähe eines elektrisch neutralen Körpers, beispielsweise einen geriebenen Kamm in die Nähe eines ungeladenen Papierstückchens (Abb. 2.6), dann ändert sich die gleichmäßige Verteilung der Ladungen im Körper.

Wie Sie aus Abb. 2.6 ersehen, sammelt sich infolge der Anziehungskraft auf der Seite des Papierstückchens, die dem negativ geladenen Kamm näher liegt, die positive Ladung, während die negative Ladung als Folge der Abstoßung in den abgewandten Teil verdrängt wird. Zu dieser Ladungstrennung kommt noch ein zweiter Punkt hinzu:

Abb. 2.5:
Vereinfachte Darstellung eines ungeladenen, elektrisch neutralen Körpers.

Abb. 2.6:
Durch die Nähe eines geladenen Körpers ändert sich die Ladungsverteilung in einem ungeladenen Körper, und er wird angezogen.

Wenn Sie nun unser kleines Papierstückchen in Abb. 2.6 betrachten, dann wird Ihnen sofort klar sein, dass die anziehende Kraft auf der dem Kamm zugewandten Seite stärker ist als die abstoßende Kraft auf der entfernteren Seite. Infolge der Ungleichheit der beiden Kräfte wird insgesamt das Papierstückchen angezogen .

Sie haben nun einige recht interessante Kenntnisse über die elektrischen Kräfte gewonnen. Mit diesen Kenntnissen gut ausgerüstet, wollen wir uns erneut dem Atom zuwenden und die elektrischen Ladungen der Elektronen und Atomkerne etwas näher betrachten.

2.3 Elektrische Kräfte im Atom

Nach dem Modell von Rutherford kreisen also die Elektronen mit großer Geschwindigkeit um den Atomkern. Die Elektronen besitzen eine negative Ladung. Sie verdanken ihren Namen der Tatsache, dass sie sozusagen Elektrizität in Reinkultur sind.

Der Atomkern besitzt eine positive Ladung. Da das Atom selbst neutral ist, müssen die positive Ladung des Atomkerns und die Summe der negativen Ladungen der Elektronen gleich groß sein.

Der Aufbau des Atoms lässt sich auch mit unserem Sonnensystem vergleichen: Die Erde umkreist die Sonne in einer weiteren Bahn (Abb. 2.7a). Vergleichen wir damit das einfachste Atom – es hat einen Kern, um den ein einziges Elektron kreist -, dann sehen wir sofort eine auffallende Ähnlichkeit (Abb. 2.7b).

Allerdings besteht zwischen den beiden Systemen, wenn wir einmal von der Größe absehen wollen, ein entscheidender Unterschied: Während nämlich die Erde für einen Umlauf um die Sonne ein ganzes Jahr benötigt, rast das Elektron mit riesiger Geschwindigkeit um den Atomkern herum und vollendet allein schon in einer Sekunde Billiarden von Umläufen!

Abb. 2.7:
a) Die Erde umkreist die Sonne,
b) das Elektron umkreist den Atomkern. Dabei gilt: Anziehungskraft (FA) = Fliehkraft (FF)

Auf dieses Elektron wirken nun zwei Kräfte:

  1. Die Anziehungskraft FA des Kerns.
    Sie kommt zustande, weil der Atomkern positiv und das Elektron negativ geladen ist und ungleichartige Ladungen sich anziehen (siehe Abb. 2.3c).
  2. Die Fliehkraft oder Zentrifugalkraft FF.
    Die Fliehkraft ist Ihnen aus dem täglichen Leben bekannt. Es ist dieselbe Kraft, welche die Sitze eines Kettenkarussells nach außen treibt oder ein Auto aus der Bahn schleudert, wenn es zu schnell in eine Kurve fährt. Die Fliehkraft wirkt stets nach außen. Sie ist um so stärker, je schneller sich ein Körper bewegt und je stärker seine Bahn gekrümmt ist.

Auch die elektrischen Anziehungskräfte hängen von mehreren Umständen ab. Zunächst sind sie um so stärker, je größer die beteiligten Ladungen sind. Ferner ist von Bedeutung, dass ihre Wirkung, wie Sie schon wissen, mit zunehmender Entfernung zwischen den Ladungen rasch abnimmt. Die genauen Zusammenhänge kann man zwar berechnen, doch genügt uns vorderhand die wichtige Tatsache:

Ein Elektron kann sich nun aber nicht ständig auf einer exakt bestimmbaren Bahn halten, denn es ist laufend kleinsten Kräften ausgesetzt, die etwa von den anderen Elektronen des Atoms oder von Lichtstrahlen ausgehen. Allerdings ist die Anziehungskraft des Kerns so groß, dass das Elektron einen gewissen kugelförmigen Raum nicht verlässt.

Einen Querschnitt durch einen solchen Raum sehen Sie in Abb. 2.8a. Jeder Punkt in diesem Querschnitt entspricht also dem Aufenthaltsort ein und desselben Elektrons zu einem anderen Zeitpunkt. Dort, wo das Elektron unseren Querschnitt häufiger durchstößt, liegen auch die Punkte dichter beieinander. In dieser Gegend ist das Elektron also häufiger anzutreffen.

Durch die riesige Geschwindigkeit des Elektrons scheint es „überall zugleich“ zu sein. Wir können deshalb den Aufenthaltsraum als eine „Wolke“ negativer Ladung ansehen, die ihre größte Dichte dort hat, wo das Elektron am häufigsten anzutreffen ist. Für die Darstellung ist es noch wichtig zu wissen, dass eine solche Elektronenwolke nach außen eigentlich keine scharfe Begrenzung hat; die Dichte nimmt ja nach außen mehr und mehr ab. Nun lässt sich aber eine solche unscharfe Begrenzung nur schlecht zeichnen. Deshalb stellt man die Elektronenwolke schematisch einfach durch eine Umgrenzungslinie dar. Eine solche vereinfachte Darstellung der Elektronenwolke sehen Sie in Abb. 2.8b. Da in dieser Darstellungsart die Wolke durch eine kugelförmige Schale ersetzt wurde, spricht man von einer Elektronenschale oder kurz von einer Schale.

Die Elektronen sind zugleich auch die kleinsten Teilchen der Elektrizität. Sie sind unteilbar, das heißt, es gibt beispielsweise keine halben Elektronen. Jedes Elektron enthält nämlich die kleinstmögliche negative Ladung; kleinere Ladungen gibt es nicht. Man nennt diese kleinste Ladung deshalb auch Elementarladung.

Ein Elektron gleicht also genau dem anderen oder, um es wieder einmal exakt zu sagen: Ein Elektron würde genau so aussehen wie das andere, wenn…wir es sehen könnten. Ob nun aber ein Atom nur ein Elektron oder mehrere enthält, stets finden wir das elektrische „Gegengewicht“ zu diesen Elektronen im Atomkern. Merken Sie sich:

Abb. 2.8:
a) Elektronenwolke: Aufenthaltsraum eines Elektrons um den Atomkern,
b) schematische Darstellung einer solchen Elektronenwolke durch eine (Elektronen-) Schale

2.4 Reibungselektrizität

Mit dem Wissen, über das Sie nun verfügen, können Sie auch den Beobachtungen von Charles du Fay die richtige Deutung geben. Er erzeugte Elektrizität, indem er verschiedene Stoffe aneinander rieb. Bei dem Reibevorgang kommen die Elektronen beider Stoffe in einen so engen Kontakt, dass Elektronen vom einen Stoff auf den anderen überspringen können.

Bei dem Stoff, der Elektronen gewonnen hat, wird die Reibungsfläche negativ elektrisch geladen. Beim anderen Stoff, der Elektronen verloren hat, überwiegt nun die positive Ladung der Atomkerne: seine Reibungsfläche wird deshalb positiv elektrisch geladen. Dadurch ziehen sich die Reibungsflächen, oder genauer ihre ungleich artigen elektrischen Ladungen, an.

Die beschriebene Erscheinungsform der Elektrizität wird Reibungselektrizität genannt. Im täglichen Leben begegnen Sie der Reibungselektrizität auf Schritt und Tritt. Sie entsteht etwa, wenn Sie sich die Haare kämmen, einer Katze über ihr Fell streichen oder über einen Fußbodenbelag aus Kunststoff gehen. In Zukunft werden Sie nun wohl dabei an die Elektronen und an ihre ungleichmäßige Verteilung denken.