Lektion Fortschritt:

Lernziele

Nach dem Durcharbeiten des Kapitels

  • kennen Sie unterschiedliche Leiterarten
  • kennen Sie die Einflüssen auf die Leitfähigkeit von Leitern
  • kennen Sie die Definitionen von Stromstärke, die Formeln und die Darstellungsarten
  • kennen Sie den Zusammenhang von Spannung und Strom in einem Stromkreis.

3 Elektrischer Strom und elektrische Spannung (Teil 1)

In den folgenden Abschnitten wollen wir uns mit drei wichtigen elektrotechnischen Grundbegriffen auseinandersetzen: dem elektrischen Strom, der elektrischen Spannung und dem Stromkreis.

Ausgangspunkt sind dabei Ihre bisher gewonnen Kenntnisse über die Atome. Mit ihnen lässt sich nicht nur das Phänomen des elektrischen Stroms anschaulich erklären, sondern auch die Unterschiede zwischen Leiter, Nichtleiter und Halbleiter und deren wichtigsten Eigenschaften.

Jede Trennung negativer und positiver Ladungen erzeugt einen unstabilen Zustand. Die daraus entstandene Anziehungskraft versucht dann, den ursprünglichen Zustand, nämlich die Vereinigung der getrennten Ladungen, wieder herzustellen.

Eine Vereinigung kann freilich nur dann erfolgen, wenn die Ladungen ihre räumliche Entfernung voneinander überwinden, wenn sie sich also aufeinander zu bewegen können. Bei diesem Streben nach Vereinigung sind es meist die kleinen und leicht beweglichen Elektronen, die sich auf die Reise begeben, während die größeren und schwereren Atomrümpfe im Atomverband festgehalten werden.

3.1 Bewegung der Elektronen

Wir sagten bereits, dass die Atome in vielen festen Körpern regelmäßige Anordnungen bilden, die Gitter genannt werden. In diesen Gittern sind nun die Atome nicht unverrückbar fest, sondern in der Lage, Schwingungen und Drehungen um ihre Achse auszuführen. Sie bewegen sich um so heftiger, je höher die Temperatur des Körpers steigt. Diese Bewegung wird deshalb Wärmebewegung genannt. Sie kommt erst bei der tiefsten möglichen Temperatur, dem absoluten Nullpunkt bei – 273,15 °C zum Stillstand.

In diese Wärmebewegung geraten nun die freien Elektronen der Kupferatome, so dass sie – ständig angestoßen – im Zickzack-Kurs durch das Gitter rasen.

Diese Elektronenbewegungen führen jedoch zu keiner eigentlichen, bleibenden Ortsveränderung in einer bestimmten Richtung. Am besten stellen Sie sich die freien Elektronen als Mückenschwarm vor. Obgleich jede Mücke wild herumtanzt, bleibt der Schwarm doch stets am gleichen Fleck.

Der Weg einer dieser Mücken gleicht nun dem Zickzack-Kurs, den ein Elektron „normalerweise“ zurücklegt (Abb. 3.1a). So wie die Mücke, kehrt das Elektron früher oder später an seinen Ausgangspunkt A zurück.

Wir sagten „normalerweise“. Die Sache verhält sich nämlich anders, wenn nun eine Kraft dazukommt, eben jenes Streben nach Vereinigung, das durch die Anziehung getrennter Ladungen verursacht wird. Wenn beispielsweise, wie in der Abb. 3.1b, eine solche Kraft nach rechts wirkt, dann wird unser Elektron nicht mehr an seinen Ausgangspunkt zurückkehren, sondern nach B, also etwas nach rechts verschoben werden.

Und wenn Sie nun von der „Zickzackerei“ absehen, dann erkennen Sie deutlich eine nach rechts gerichtete Bewegung. Der Mückenschwarm, mit dem wir die Elektronen verglichen haben, ist gewissermaßen von einem Lüftchen ein Stück weiter getragen worden.

Stellen Sie sich nun, mit dem Bild vor Augen, in einem Stück Draht einen Elektronenschwarm vor, der sich in ähnlicher Weise vorwärts bewegt. Dann haben Sie einen äußerst wichtigen, neuen Begriff erfasst: den elektrischen Strom.

Damit können wir den elektrischen Strom wie folgt definieren:

Abb. 3.1:
a) Ein Elektron kehrt in einem stromlosen Leiter an seinen Ausgangspunkt A zurück;
b) erst wenn es sich von A nach B bewegt, fließt ein Strom

Bewegt sich also eine elektrische Ladung von A nach B, dann fließt ein elektrischer Strom von A nach B.

Der elektrische Strom wird oft mit einem Wasserstrom verglichen. Wie alle Vergleiche hinkt auch dieses Bild, denn es trifft in einigen, aber nicht in allen Punkten zu. Wir sollten deshalb das Bild einer Wasserströmung nur als Starthilfe benutzen.

Betrachten wir also eine Wasserströmung durch ein Rohr: Die Wassermenge, die in einer Sekunde durch den Querschnitt des Rohres fließt, wird als Durchflussmenge bezeichnet. Wir können sie in Litern pro Sekunde angeben.

In jedem Liter ist eine bestimmte Anzahl von Wassertröpfchen enthalten. Deshalb können wir die Durchflussmenge auch durch die Anzahl der Wassertröpfchen pro Sekunde ausdrücken.

Nun denken wir uns die Wassertröpfchen durch elektrisch geladene Teilchen ersetzt, z.B. durch Elektronen. Statt des Rohres nehmen wir einen Kupferdraht. Sie wissen bereits, dass die freien Elektronen des Kupfers sich vorwärts bewegen können.

Hier stellt sich nun die interessante Frage: Wie groß ist wohl die Strecke, um die sich der Elektronenschwarm in einer Sekunde vorwärts bewegt, wenn ein elektrischer Strom fließt?

Die Antwort wird Sie überraschen. Der Elektronenschwarm bewegt sich nämlich in einer Sekunde nur etwa 1 mm vorwärts!

3.2 Leiter, Halbleiter und Nichtleiter

Wiederholen wir: Ein elektrischer Strom ist die gerichtete Bewegung elektrisch geladener Teilchen. Freilich entsteht nach dieser Definition ein elektrischer Strom nicht ausschließlich durch die Bewegung von Elektronen. Er kann ebenso auch durch das Fließen anderer Teilchen entstehen, vorausgesetzt, dass sie elektrisch
geladen sind.

Nun gibt es verschiedene Stoffe, in denen solche geladene Teilchen mehr oder weniger leicht beweglich sind.

Gewisse Stoffe leiten also einen elektrischen Strom besser, andere wieder schlechter.

Ermöglicht ein Stoff den Ladungsträgern eine verhältnismäßig freie Beweglichkeit, dann nennt man ihn einen Leiter.

In Flüssigkeiten und Gasen können auch die Atome zu Ladungsträgern werden, wenn die Anzahl ihrer Elektronen nicht mit ihrer Kernladung übereinstimmt.

Hat ein Atom Elektronen verloren, dann hat es insgesamt eine positive elektrische Ladung. Hat es dagegen ein oder mehrere Elektronen zusätzlich eingefangen, so ist es insgesamt negativ elektrisch geladen. Derartig elektrisch geladene Atome heißen Ionen. Merken Sie sich also:

Da die Atome in Flüssigkeiten und Gasen keine festen Gitter bilden – Flüssigkeiten und Gase haben ja auch keine feste Form! –, können sie sich frei bewegen. Handelt es sich dabei um Ionen, dann führt ihre Bewegung zu einem elektrischen Strom.

Sie kennen nun damit schon zwei Sorten Ladungsträgern:
Elektronen. Sie sind die Ladungsträger im Kupfer und überhaupt in allen Metallen.
Ionen. Sie sind – unter bestimmten Voraussetzungen – die Ladungsträger in Flüssigkeiten und Gasen.

Neben den bisher besprochenen Materialien gibt es auch feste Stoffe, die keine frei beweglichen Elektronen haben. Bei ihnen sind die Elektronen fest an ihre Plätze im Atom gebunden.

Aus den gleichen Gründen gibt es auch Flüssigkeiten und Gase, bei denen sich keine Ionen bilden können, eben weil ihre Atome keine Elektronen abgeben oder aufnehmen.

Stoffe, die aus Mangel an frei beweglichen Ladungsträgern keinen elektrischen Strom weiterleiten können, bezeichnet man als Nichtleiter oder Isolierstoffe.

Aus der großen Zahl der in der Elektrotechnik verwendeten Isolierstoffe nennen wir Ihnen einige Beispiele: Gummi, Kunststoffe, Porzellan, Öl, Luft.

Auch Bernstein ist ein Nichtleiter. Die Elektronen, die durch Reiben auf die Oberfläche des Bernsteins gelangen, können sich nicht weiterbewegen. Im Bernstein fließt demnach kein Strom. Wir können jedoch das ganze Bernsteinstück als Ladungsträger betrachten. Bewegen wir es durch die Luft, dann fließt sehr wohl ein Strom. Allerdings fließt der Strom dann nicht durch den Bernstein, sondern durch die Luft, die auf diese Weise einen „beweglichen“ Ladungsträger bekommen hat.

Zwischen den Leitern und den Nichtleitern nehmen die so genannten Halbleiter eine Zwischenstellung ein. Sie haben durch die Elektronik eine große Bedeutung erlangt. Die bekanntesten Halbleiter sind Germanium und vor allem Silizium, das die Basis zur Herstellung elektronischer Bauteile und integrierter Schaltungen ist.

Die genannte Einteilung nach Leitern, Halbleitern und Nichtleitern hat freilich keine festen Grenzen; die Übergänge sind fließend.

3.3 Einflüsse auf die Leitfähigkeit

3.3.1 Beweglichkeiten und Zahl der Ladungsträger

Die weitaus besten Leiter findet man unter den Metallen. Das kommt natürlich daher, weil bei Ihnen die Elektronen als Ladungsträger am leichtesten beweglich sind. Ordnet man die besten Leiter nach ihrer Leitfähigkeit, dann kommt Silber an die Spitze (Tabelle 3-1). Da Silber aber teuer ist, verwendet man für Leitungen meistens Kupfer, das wie Sie sehen, immerhin noch 90 % der Leitfähigkeit von Silber besitzt. An dritter Stelle liegt Gold mit 70 %, dann folgt Aluminium mit 56 %. Silber, Kupfer und Gold besitzen je nur ein einziges freies Elektron, Aluminium nicht etwa besser, denn seine freien Elektronen kommen sich in die Quere und behindern einander gegenseitig.

Tab. 3.1:
Gute Leiter

3.3.2 Temperatur

Bei den festen Stoffen gibt es auch verhältnismäßig gute Leiter, die keine Metalle sind z. B. Graphit. Hier werden die Elektronen von ihren Atomen festgehalten, stehen also nicht als freie Elektronen zur Verfügung. Nun ist aber bereits bei Zimmertemperatur die Wärmebewegung einzelner Atome so heftig, dass dabei Elektronen aus den benachbarten Atomen herausgeschlagen werden. Diese herausgeschlagenen Elektronen sind des dann, die als Ladungsträger zur Verfügung stehen. Mit zunehmender Temperatur nimmt dieser Vorgang immer größere Ausmaße an. Deshalb steigt die Leitfähigkeit bei Graphit mit steigender Temperatur.

Bei den Metallen ist es gerade umgekehrt. Auch hier werden zwar durch die Wärmebewegung zusätzliche Elektronen freigesetzt; gleichzeitig behindern sich aber nun die so zahlreichen Elektronen gegenseitig. Denn ihr Bewegungsraum, den sie wegen ihrer gegenseitigen Abstoßung haben müssen, wird durch die erhöhte Wärmebewegung der Atome verhältnismäßig stark eingeschränkt. Da diese Behinderung überwiegt, gilt:

So nimmt bei Silber und Aluminium die Leitfähigkeit durch die Erwärmung z. B. von 20 °C auf 70 °C, um 19 % ab, bei Kupfer und Gold um 20 % (s. Tabelle 3.1). Umgekehrt erhöht sich die Leitfähigkeit dieser Metall bei sinkender Temperatur. In der Nähe des absoluten Nullpunktes schließlich können sich die Elektronen fast ohne Behinderung bewegen.

3.3.3 Reinheit

Die Reinheit der Stoffe spielt bei der Leitfähigkeit der Halbleiter eine besondere Rolle. Aber auch für Leiter ist die Reinheit wichtig, da Verunreinigungen die Leitfähigkeit herabsetzen.

Bei den Halbleitern ist es gerade umgekehrt. Wohldosierte Verunreinigungen mit ganz bestimmten Stoffen stellen den Halbleitern zusätzliche freie Elektronen zur Verfügung, wodurch die Leitfähigkeit steigt. Bei der Besprechung der Transistoren werden Sie Näheres darüber erfahren.

3.4 Die Stromstärke

Ein elektrischer Strom ist also nichts anderes als bewegte elektrische Ladung. Dabei spielt es keine Rolle, wie die Ladungsträger beschaffen sind. Es können bewegte Elektronen, geladene, fallende Regentropfen, ein mit der Hand bewegter geriebener Bernsteinstab oder in einer Flüssigkeit sich bewegende Ionen sein.

Nun gibt es natürlich große und kleine Ströme. Die Größe eines elektrischen Stromes nennen wir die Stromstärke.

3.4.1 Die Definition der Stromstärke

Den elektrischen Strom in einem Leiter können wir mit dem Wasserstrom in einem Rohr vergleichen. Messen wir die Wassermenge, die in einer bestimmten Zeiteinheit, z. B. in einer Sekunde, aus dem Hahnen fließt, dann ist dies ein gutes Maß für die Stärke des Wasserstroms. Je stärker der Wasserstrom ist, um so mehr Wasser fließt natürlich in einer Sekunde aus dem Wasserhahnen. Messen wir die herausfließende Wassermenge beispielsweise in Litern, dann können wir die Stärke des Wasserstroms durch die Anzahl Liter pro Sekunde angeben.

In einem Leiter fließt kein Wasser, sondern elektrische Ladung. Messen wir also – wie beim Wasserstrom – die Ladungsmenge, die in einer bestimmten Zeiteinheit, z.B. in einer Sekunde, durch den Querschnitt eines Leiters fließt, dann haben wir ein Maß für die Stromstärke gefunden. Denn je größer die Ladungsmenge (z. B. Anzahl Elektronen oder Ionen) ist, die in einer Sekunde durch einen Leiter fließt, um so größer ist die Stromstärke.

Merken Sie sich also:

Kürzer können Sie schreiben:

Aber selbst diese Schreibweise ist etwas umständlich und zeitraubend; wir wollen sie deshalb noch kürzer fassen. Dazu setzen wir an Stelle der Wörter einfach Buchstaben, so genannte Symbole. Als Symbol für den elektrischen Strom verwendet man allgemein den Buchstaben I, für die elektrische Ladungsmenge den Buchstaben Q und für die Zeit den Buchstaben t. Mit diesem Buchstaben erhalten wir nun unsere erste Formel:

Formel 1.1

3.4.2 Einheit der Stromstärke

Um eine Größe wie die Stromstärke bestimmen zu können, musste man sich auf eine brauchbare Maßeinheit einigen. So wurde für die Stromstärke zu Ehren des französischen Physikers Andrè Ampère (1775 bis 1836) die Einheit Ampere (A) festgelegt.

André Ampère verdankt man die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Elektrizität und Magnetismus. Der Name des Physikers wird mit einem Akzent über den ersten è geschrieben (Ampère). Bei der Einheit lässt man den Akzent aber weg.

Um die Stromstärkeneinheit zu definieren, geht man von einem elektrischen Phänomen aus, das Ampère im Jahre 1820 entdeckte. Er stellte fest, dass zwischen zwei stromdurchflossenen Leitern Kräfte wirken, und zwar ziehen sich die beiden Leiter an, wenn der Strom durch beide Leiter in der gleichen Richtung fließt. Es besteht somit ein Zusammenhang zwischen der Stärke des Stroms und der Anziehungskraft zwischen den beiden Leitern. Dieser physikalische Zusammenhang wird heute zur Definition der Einheit Ampère für die Stromstärke benützt.

In der Praxis brauchen wir uns aber nicht um die exakte physikalische Definition der Stromstärkeneinheit zu kümmern. Hier fließt dann 1 A durch einen Leiter, wenn der Zeiger des Strommessers die Stromstärke 1 A anzeigt.

3.4.3 Einheit der Ladung

Nach der Festlegung der Einheit Ampere für die Stromstärke lässt sich nun leicht auch die Einheit für die Ladungsmenge Q ableiten. Die Stromstärke haben wir definiert als I = Q/t. Diese Formel können wir mathematisch auch so schreiben:
Q = I · t

Setzen wir für I die Einheit 1 A und für t die Einheit 1 s ein, dann erhalten wir für die Ladungsmenge Q die gesuchte, abgeleitete Einheit: Amperesekunde (As).
Q = 1A · 1 s = 1 A · s = 1 As

Der Ladungseinheit Amperesekunde hat man zu Ehren des französischen Physikers Charles A. Coulomb (1736 bis 1806) den besonderen Namen Coulomb (C) gegeben.
Es gilt also:
1 Coulomb = 1 C = 1 As

Sie erinnern sich: Jedes Elektron trägt die kleinstmögliche negative Ladung, kleinere Ladungen gibt es nicht.

Man nennt diese kleinste Lösung daher Elementarladung. Wie viele solcher Elementarladungen oder Elektronen ergeben eine Ladungsmenge von 1 Coulomb (1 C)? Nun, es ist eine riesige Zahl nötig, nämlich:
1 C ≈ 6 240 000 000 000 000 000 Elementarladungen
= 6,24 · 1018 Elementarladungen

Die Ladung eines Elektrons beträgt somit e = –1,602 · 10 –19 C (Elementarladung).