Zentrieren, Bohren, Gewindeschneiden mit Siemens Sinumerik – Teil 1

Wichtige Elemente beim Herstellen von Werkstücken in der Frästechnik sind Bohrungen und Gewindebohrungen.

Das Herstellen von Bohrungen bzw. von Gewindebohrungen gliedert sich in verschiedene Arbeitsabläufe. Als erstes müssen Bohrungen vorzentriert werden. Eine Zentrierung bildet die Führung für die darauffolgende Bohrbearbeitung. Eine Zentrierung ist bei herkömmlichen Spiralbohrern notwendig, damit die Bohrungen genau an den Stellen maßgenau hergestellt werden an denen Sie programmiert sind. Ohne Zentrierungen hätte ein Spiralbohrer keine Führung und würde „verlaufen“, was zu Maßfehlern führt.

Im Anschluss an den Zentriervorgang erfolgt das Bohren. Beim Bohren muss darauf geachtet werden, welche Art von Bohrer verwendet wird. Bei herkömmlichen Spiralbohrern aus HSS (Hochleistungsschnellarbeitsstahl = engl.: high speed steel) muss bei tieferen Bohrungen eine Späneentleerung durchgeführt werden. Bei Wendeplattenbohrern entfällt dieser Vorgang, um die Wendeschneidplatten nicht zu beschädigen. Bei Verwendung von Wendeplattenbohrern entfällt auch der Zentriervorgang, was eine enorme Zeitersparnis bedeutet und somit einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit beiträgt.

Bei Herstellung von Gewindebohrungen folgt im Anschluss an das Bohren noch der Arbeitsgang des Gewindebohrens. Dies wird mit Maschinengewindebohrern durchgeführt.

Lernziele

 Nach dem Durcharbeiten des Kapitels können Sie

  • Bohrungen in den dafür vorgesehenen Herstellerzyklus zentrieren,
  • Bohrungen in den dafür vorgesehenen Herstellerzyklen herstellen,
  • Gewindebohrungen in den dafür vorgesehenen Herstellerzyklen herstellen;

kennen Sie:

  • die Bedeutung und Anwendung der Polarkoordinaten,
  • die Vorgehensweise der Programmierung der Polarkoordinaten.

Herstellerzyklen für Bohrbearbeitungen

Wie wir schon in Lehrbrief 4 festgestellt haben, stehen uns bei der Siemens Operate folgende Herstellerzyklen für die Bohrbearbeitungen zur Verfügung:

  • CYCLE81: Zentrieren

  • CYCLE82: Bohren

  • CYCLE82: Reiben

  • CYCLE83: Tieflochbohren 1

  • CYCLE830: Tieflochbohren 2

  • CYCLE84:Gewindebohren ohne Ausgleichsfutter

  • CYCLE840: Gewindebohren mit Ausgleichsfutter

  • CYCLE86: Ausdrehen

Da wir die relevanten Bohrbearbeitungen bereits in Lehrbrief 4 behandelt haben, konzentireren wir uns an dieser Stelle auf die beiden Arten des Gewindebohrens.

Auf der mitgelieferten Lehrgangs-CD-ROM befindet sich im Ordner Videos_ LB5 die Präsentation „Kap3_ Bohrzyklen_Gewindebohren“. Öffnen Sie den Ordner und starten Sie die Präsentation mit der Wiedergabetaste.

Ergänzend dazu können Sie zur Wiederholung die folgenden Präsentation aus LB4 nutzen.

Auf diese Herstellerzyklen zur Anfertigung von Bohrungen werden wir in der nächsten Übungsaufgabe sehr genau eingehen.

Übung

Übung 19

Abb. 3.1: Werkstück

Hier einige ergänzende Informationen, die wir zur Bearbeitung dieses Werkstückes benötigen:

Werkstoff: S235JR

Rohteilmaße: Länge 90 mm × 110 mm × 30 mm (Länge × Breite × Dicke)

Maschinenauswahl für die Programmierung und Simulation:DEMO- Fräsmaschine

Name des Werkstückordners und des Hauptprogramms: UEBUNG_19

Das Zentrieren soll mit einem NC-Anbohrer aus HM erfolgen. Für die Bohrbearbeitungen sollen HSS-Spiralbohrer und Maschinengewindebohrer aus Hartmetall verwendet werden. Alle Bohrungen mit Ø 6mm haben, jeweils von der entsprechenden Referenzebene betrachtet, die identische Bohrtiefe. Gleiches gilt für die Gewindebohrungen M6 bezüglich der Bohrtiefe und der nutzbaren Gewindelänge. Alle Bohrungen mit Ø6 mm sollen mit einer Fase von 0,5 × 45° entgratet werden.

Die Fräskontur soll mit einem Eckfräser mit Hartmetall-Wendeschneidplatten (Schruppfräser) mit Ø 80 mm vorbearbeitet und mit einem Eckfräser mit Hartmetall-Wendeschneidplatten (Schlichtfräser) Ø 80 mm fertig bearbeitet werden. Beide Fräser haben eine Schneidenzahl von 6. Das Aufmaß für die Vorbearbeitung soll in allen Achsen 2 mm betragen. Die Aufmaßprogrammierung wird mit dem Befehl OFFN= programmiert. Die Kontur wird bei der Fertigbearbeitung mit dem Befehl REPEAT und Sprungmarken wiederholt. Die fehlenden Technologiedaten sollen für die Fräsarbeiten selbstständig ausgewählt und berechnet werden. Die fertige Außenkontur soll eine Tiefe von 10 mm aufweisen. Beide Bearbeitungsarten sollen im Gleichlauffräsen angefertigt werden. Die Anfahrstrategie an die Außenkontur soll selbstständig ausgesucht werden.

Legen wir los.

Analysieren der technischen Zeichnung

Analysieren wir die technische Zeichnung erst einmal gemeinsam. Wir finden sicherlich einige Dinge die besonders beachtet werden müssen oder Dinge, die wir noch gar nicht gelernt haben.

Betrachten wir als erstes, wie wir die Fräskontur anfertigen. Dies kann natürlich individuell geschehen. Da wir die Fräskontur vor- und fertig bearbeiten müssen, ist es sinnvoll diese Bearbeitung mit einem Aufmaß zu programmieren. Dies kann bei der Steuerung Siemens Sinumerik, wie bereits gelernt, durch den Befehl OFFN= realisiert werden. Bei dieser Übungsaufgabe werden wir dieses Mal die Programmiertechnik mit Programmteilwiederholung und Sprungmarken durchführen. Wie bereits erwähnt, kann der Bearbeitungsablauf auf verschiedene Art und Weise durchgeführt werden.

Folgende Bearbeitung schlage ich Ihnen vor:

Wir positionieren den Fräser außerhalb des Werkstückes auf P1 und fahren anschließend in der X-Achse mit G41 auf P2. Nun verfahren wir in Vorschubbewegung entlang der Kontur auf die Punkte P3 und schließen die Kontur bei P4 ab. Bei P4 schalten wir die Werkzeugradiuskorrektur wieder aus und achten deshalb darauf, dass wir in ausreichendem Abstand neben der Kontur stehen. Anschließend fahren wir auf den Werkzeugwechselpunkt.

Abb. 3.2: Bearbeitungsablauf

Als Nächstes betrachten wir die verschiedenen Bohrungen und deren Referenzebenen. Die Referenzebene ist die Ebene der Bohrung, von der aus Sie in der Zustellachse, in unserem Beispiel die Z-Achse, bemaßt ist. Diese Referenzebene ist bedeutender Bestandteil der Bohrzyklen. Liegen unterschiedliche Referenzebenen vor, müssen auch unterschiedliche Bohrzyklen programmiert werden. Später werden wir auf dieses Thema noch genauer eingehen. Fassen wir die verschiedenen Bohrungen nach Art und Größe geordnet einmal zusammen. Folgende Frage soll uns bei der Analyse helfen: Welche Bohrungen können wir mit demselben Werk- zeug und mit demselben Zyklus herstellen? Welche Bohrungen haben die gleiche Referenzebene? Nummerieren wir unter diesen Gesichtspunkten die einzelnen Bohrungen durch.

Abb. 3.3: Nummerierung der Bohrungen

Fassen wir die Nummerierung zusammen:

Gewindebohrungen 1 und 2

Bei diesen Bohrungen wird zentriert, das Kernloch für M6 gebohrt und anschließend das Gewinde gebohrt. Die Referenzebene liegt bei diesen Gewindebohrungen unter Berücksichtigung des Werkstücknullpunktes bei Z0

Gewindebohrungen 6 bis 9

Bei diesen Bohrungen wird, wie bei Gewindebohrungen 1 und 2, zentriert, das Kernloch für M6 gebohrt und anschließend das Gewinde gebohrt. Unterschied ist, dass sich diese Bohrungen auf einer anderen Referenzebene befinden. Die Referenzebene für diese Gewindebohrungen liegt unter Einbeziehung des Werkstücknullpunktes in der Z-Achse bei 10 mm.

Bohrungen 3 bis 5

Bei diesen Bohrungen wird zentriert und gebohrt auf Ø 6 mm. Die Tiefe dieser Bohrungen beträgt bis zur Bohrerspitze 12 mm. Diese Bohrungen müssen laut Aufgabenbeschreibung mit einer Fase von 0.5 × 45° versehen werden. Die Referenzebene liegt bei Z0.

Bohrungen 10 bis 15

Bei diesen Bohrungen werden die gleichen Arbeitsgänge wie bei den Bohrungen 3 bis 5 durchgeführt. Einzig die Referenzebene liegt in der Z-Achse auf 10 mm. Bei der Anordnung dieser Bohrungen spricht man von einem Lochkreis. Für die Programmierung solcher Lochkreise bietet die Steuerung Siemens Sinumerik über die Funktion Bohrbildposition eine komfortable Möglichkeit diese einfach im CNC-Programm zu Diese Funktion werden wir später, wenn wir das CNC-Programm gemeinsam erstellen, zusammen erarbeiten.

Bei den Bohrungen 4 und 5 liegt noch eine weitere Besonderheit vor. Die Bemaßung von diesen Bohrungen weist eine Winkelangabe und eine Länge von einem bestimmten Bezugspunkt aus auf. Dies sind sogenannte Polarkoordinaten. Wir haben in den vorhergehenden Übungsaufgaben gelernt, dass wir die Maße der Konturen und Konturelemente so programmieren müssen, wie sie in der technischen Zeichnung angegeben sind. Auch hier bietet die Siemens Sinumerik umfangreiche Möglichkeiten solche Polarkoordinaten zu programmieren. Auch diese Thematik werden wir an geeigneter Stelle zusammen erarbeiten.

Wie wir nun bei der Analyse festgestellt haben, führen wir unterschiedliche Bohrbearbeitungen an den gleichen Koordinaten der Bohrungen aus. Um unnötigen Programmieraufwand zu vermeiden und um eine bestmögliche Übersicht bei diesem umfangreichen CNC-Programm zu gewährleisten, werden wir hier die Unterprogrammtechnik anwenden. Deshalb fassen wir die einzelnen Bohrungen in Unterprogrammen zusammen. Wir benennen die Unterprogramme folgendermaßen:

  • Unterprogramm für Gewindebohrungen 1 und 2: BOHRBILD_1

  • Unterprogramm für Gewindebohrungen 6 bis 9: BOHRBILD_2

  • Unterprogramm für Bohrungen 3 bis 5: BOHRBILD_3

  • Unterprogramm für Bohrungen 10 bis 15: BOHRBILD_4

Die Programmierung dieser Unterprogramme werden wir nach der Arbeitsplanung gemeinsam durchführen.