Fräsen von Kreis- und Rechtecktaschen mit Siemens Sinumerik – Teil 1

Lernziele

 Nach dem Durcharbeiten des Kapitels können Sie

  • Rechtecktaschen mithilfe des entsprechenden Herstellerzyklus von Siemens Sinumerik programmieren und herstellen.
  • Kreistaschen mithilfe des entsprechenden Herstellerzyklus von Siemens Sinumerik programmieren und herstellen.

Nachdem wir uns im Lehrbrief 5 mit der Bearbeitung von Außenkonturen und Bohrbearbeitungen befasst haben, befassen wir uns in diesem Kapitel hauptsächlich mit der Bearbeitung von besonderen Konturelementen, den Kreis- und Rechtecktaschen. Hierfür stellt die Siemens Sinumerik verschiedene Herstellerzyklen für diese Bearbeitungen zur Verfügung. Diese Herstellerzyklen tragen folgende Bezeichnung:

  • Rechtecktasche: POCKET3

  • Kreistasche: POCKET4

Die Parametrierung und die Programmierung dieser Kreis- und Rechtecktaschen erarbeiten wir uns gemeinsam, wie wir es schon bei den anderen Herstellerzyklen durchgeführt haben, an einer speziell dafür ausgewählten Übungsaufgabe.

Übung

Übung 20

Folgendes Fräswerkstück soll uns zur Erarbeitung der Arbeitsschritte bei Kreis- und Rechtecktaschen helfen:

Abb. 1.1: Übung 20 technische Zeichnung

Hier, wie gewohnt, noch einige ergänzende Informationen, die wir zur Bearbeitung dieses Werkstückes benötigen:

Werkstoff: EN-GJL

Rohteilmaße: Länge 150 mm × 150 mm × 20 mm (Länge × Breite × Dicke). Diese Maße sind bereits fertig bearbeitet und müssen deshalb nicht mehr angefertigt werden.

Maschinenauswahl für die Programmierung und Simulation: DEMO- Fräsmaschine

Name des Werkstückordners und des Hauptprogramms: UEBUNG_20

Für die Bearbeitung sollen so stabile Werkzeuge als möglich verwendet werden. Die Rechtecktasche I hat eine Tiefe von 5 mm.

Die Rechtecktasche II hat eine Tiefe von 10 mm.

Beide Rechtecktaschen sollen mit einem Langlochfräser Ø 10 mm hergestellt werden. Dieser Langlochfräser soll aus Vollhartmetall mit Beschichtung bestehen und eine Schneidenanzahl von z=4 aufweisen.

Die Kreistasche III hat eine Tiefe von 4 mm.

Diese Kreistaschen sollen mit einem Langlochfräser Ø 20 mm hergestellt werden. Auch dieser Langlochfräser soll aus Vollhartmetall mit Beschichtung bestehen und eine Schneidenanzahl von z=4 aufweisen.

Die Rechtecktasche IV hat eine Tiefe von 5 mm und soll mit demselben Werkzeug wie die Rechtecktaschen I und II bearbeitet werden.

Die Technologiewerte für die Langlochfräser werden anhand einer vorgegebenen Tabelle eines Werkzeugherstellers ermittelt.

Alle Bohrungen sind Durchgangsbohrungen. Alle Bohrungen haben einen Ø 5 mm und sollen eine Fase von 0.5 x 45° aufweisen. Die Bohrungen werden mit einem HSS-Spiralbohrer hergestellt.

Es ist darauf zu achten, dass so programmiert wird, wie auch die Bemaßung der einzelnen Elemente ausgeführt ist (im Speziellen: Polarkoordinaten und inkrementelle Bemaßung).

Wir werden die Arbeitsplanung und die Programmierung gemeinsam durchführen. Die Technologiedaten wie Schnittgeschwindigkeit Vc, Vorschub je Zahn fz sowie die Drehzahl n und die Vorschubgeschwindigkeit Vf werden Sie selbstständig ermitteln bzw. berechnen können.

Analyse der technischen Zeichnung

Analysieren wir zunächst die technische Zeichnung. Der Werkstücknullpunkt ist vorgegeben. Er befindet sich an der oberen linken Ecke des Werkstückes. Demnach stellen wir fest:

wenn wir das kartesische Koordinatensystem zu Grunde legen, verlaufen die Maße in der X-Achse in positive Richtung und die Maße der Y-Achse in negative Richtung.

Nehmen wir nun die einzelnen Kreis- und Rechtecktaschen genauer unter die Lupe. Als Erstes werden wir die Rechtecktasche  I mit einer Tiefe von 5 mm herstellen, anschließend gleich die Rechtecktasche II. Der nächste Bearbeitungsschritt ist dann das Herstellen der Rechtecktasche IV. Dies ist darin begründet, dass alle Rechtecktaschen mit demselben Werkzeug hergestellt werden. Würden wir zuerst die Kreistasche III herstellen, müsste ein zusätzlicher Werkzeugwechsel durchgeführt werden, was aus wirtschaftlicher Betrachtung nicht zu empfehlen ist. Nachdem alle Rechtecktaschen angefertigt sind, werden wir die Kreistasche III mit einer Tiefe von 4 mm herstellen. Alle Kreis- und Rechtecktaschen werden mit je einer Schrupp- und einer Schlichtbearbeitung ausgeführt. Dies dient in unserer Übungsaufgabe allerdings nur zum Übungszweck, damit wir diese Anwendung im Herstellerzyklus kennenlernen und anwenden können. Aus wirtschaftlicher Betrachtung werden nur eine Schrupp- und eine Schlichtbearbeitung bei Taschen mit Passmaßen oder bei Taschen, die mit unterschiedlichen Werkzeugen hergestellt werden angewendet. In unserer Übungsaufgabe wird die Schrupp- und Schlichtbearbeitung mit demselben Werkzeug ausgeführt. Zu allen Kreis- und Rechtecktaschen werde ich an geeigneter Stelle im Lehrbrief noch genauer auf den anzuwendenden Herstellzyklus eingehen. Im Anschluss an die Fräsarbeiten werden wir die Bohrbearbeitungen durchführen. Das Zentrieren erfolgt mit einen 90° NC-Anbohrer mit Ø 12 mm. Die Zentrierbohrungen werden so ausgeführt, dass nach dem Bohrvorgang die Fase bereits hergestellt ist. Die Berechnung der Senktiefe führen Sie selbstständig durch. Das Bohren der Bohrungen erfolgt, wie aus der Aufgabenstellung ersichtlich, mit einem HSS-Bohrer Ø 5 mm. Analysieren wir nun die einzelnen Bohrungen und fassen diese wieder in Bohrbilder zusammen, welche wir in die entsprechenden Unterprogramme programmieren:

Diese Bohrungen weisen dieselbe Referenzebene aus. Deshalb können sie in einem Bohrbild zusammengefasst werden. Auf zwei Besonderheiten beim Programmieren der Koordinaten dieses Bohrbildes muss geachtet werden.

  • Bohrungen 1 bis 3 sind mit Polarkoordinaten bemaßt, dies muss bei der Programmierung beachtet werden.
  • Bohrungen 5 bis 6 sind inkrementell bemaßt, auch dies muss bei der Programmierung beachtet werden.

Die Koordinaten für diese Bohrungen programmieren wir im Unterprogramm BOHRBILD_1.

Diese Bohrungen weisen zwar dieselbe Referenzebene auf wie die Bohrungen 1 bis 6. Diesen Lochkreis programmieren wir in einem separaten Bohrbild. Den Namen des Unterprogrammes für den Lochkreis benennen wir mit BOHRBILD_2.

Die Bohrungen 1 bis 6 und die Bohrungen des Lochkreises 7 können mit demselben Bohrzyklus hergestellt werden, da die Bohrungen die gleichen Abmessungen und die gleiche Referenzebene aufweisen.

Diese Bohrung hat eine andere Referenzebene, als die anderen Bohrungen, deshalb muss diese Bohrung mit einem separaten Bohrzyklus programmiert werden. Deshalb programmieren wir diese Koordinate für Bohrung 8 im Unterprogramm BOHRBILD_3.

Als Letztes legen wir jetzt noch fest mit welchen Zyklen die einzelnen Fräs- und Bohrbearbeitungen durchgeführt werden können:

  • Alle Rechtecktaschen werden mit dem Herstellerzyklus POCKET3 hergestellt.

  • Die Kreistasche wird mit dem Herstellerzyklus POCKET4 hergestellt.

  • Die Zentrierungen werden mit dem Bohrzyklus CYCLE81 hergestellt.

  • Die Zentrierungen werden mit dem Bohrzyklus CYCLE81 hergestellt.

So, nun haben wir die gesamte technische Zeichnung analysiert und die Eckpunkte der Vorgehensweise bestimmt. Denken Sie daran, dass dies nur eine Empfehlung meinerseits darstellt. Die Bearbeitungsfolge kann individuell erfolgen.

Arbeitsplanung

Nachdem wir nun die Analyse der technischen Zeichnung durchgeführt haben, führen wir nun die Arbeitsplanung in gewohnter Weise durch. Beginnen wir mit dem Einrichteblatt. Als Erstes wählen wir die Werkzeuge aus. Wie in der Aufgabenbeschreibung festgelegt, werden wir die Rechtecktaschen mit einem Langlochfräser Ø 10 mm aus beschichtetem Vollhartmetall vor- und fertig bearbeiten. Zur besseren Vorstellung des Werkzeuges habe ich Ihnen folgende Abbildung aus einem Katalog eines Werkzeugherstellers (Fa. Hoffmann) ausgesucht:

Abb. 1.2: Langlochfräser (Fa. Hoffmann)

Wir wählen folgendes Werkzeug für diese Bearbeitung aus:

Rechtecktaschen vor- und fertig bearbeiten:

Station1 – Langlochfräser Ø 10 mm – HM – LANGLFR_10 Schneidenanzahl: 4

Als Nächstes bearbeiten wir die Kreistasche. Diese Bearbeitung erfolgt ebenfalls mit einem Langlochfräser. Auch hier wird mit demselben Werkzeug die Vor- und Fertigbearbeitung durchgeführt. Einzig der Durchmesser des Werkzeuges muss laut Aufgabenstellung größer gewählt werden.

Kreistasche vor- und fertig bearbeiten:

Station2 – Langlochfräser Ø20 mm – HM – LANGLFR_20 Schneidenanzahl: 4

Für das Zentrieren aller Bohrungen verwenden wir, wie bereits aus Lehrbrief 5 bekannt, einen NC-Anbohrer.

Abb. 1.3: NC-Anbohrer

Dieser NC-Anbohrer, den wir verwenden, hat einen Spitzenwinkel von 90°. Das bedeutet, dass wir mit diesem NC-Anbohrer die Zentrierungen und gleichzeitig auch die 45°-Fasen an den Bohrungen anfertigen können. In der Aufgabenstellung ist auch der Durchmesser dieses NC-Anbohrers bereits vorgegeben. Er beträgt 12 mm. Für das Zentrieren aller Bohrungen wählen wir folgendes Werkzeug für Station 3 aus:

Zentrieren aller Bohrungen und herstellen der Fasen:

Station3 – NC-Anbohrer Ø12 mm – HM – ANBOHRER_12

Als Nächstes wählen wir das Werkzeug zur Herstellung der Bohrungen Ø 5 mm aus. Für diese Bohrungen verwenden wir einen Spiralbohrer mit dem erforderlichen Durchmesser von 5 mm aus HSS. Unser Werkzeug in Station 4 heißt somit:

Alle Bohrungen Ø 5 mm herstellen:

Station4 – Spiralbohrer Ø5 mm – HSS – SPIBO_5