2 Nieten, Lufthaken und andere Ur-Formen

Das nächste Bauteil, der Anker für die Zugfeder des Magazins, wird mit einer Nietverbindung, ähnlich einem Halbhohlniet nach DIN 6791, am Blechteil – der Arretierung – befestigt.

2.1 Der Grundkörper

In diesem Fall wird die Niete allerdings direkt ans Bauteil gedreht, sodass wir sie modellieren müssen, anstatt sie als Normteil importieren zu könnten. Und da wir das Vernieten selbst nicht zeigen können, modellieren wir die Niete gleich im genieteten Modus:

Erstellen Sie ein neues Teil und speichern Sie es unter Ar Spanner Feder Anker.

Der Anker für die Spannfeder der Baugruppe Arretierung

Erstellen Sie auf der Ebene vorne eine neue Skizze.

Zeichnen Sie erst eine liegende Mittellinie deckungsgleich auf den Ursprung, dann die Kontur nach Abb. 2.1. Diesmal handelt es sich um einen Vollkörper, sodass die Mittellinie und eine der Konturlinien kollinear sind.

Standardprozedur!

Abb. 2.1: Sieht harmlos aus: die Kontur für den Anker

Verknüpfen Sie die linke, untere Ecke deckungsgleich mit dem Ursprung.

Ebenfalls eine Standardprozedur!

Bemaßen Sie die drei Längen nach Abb. 2.2.

  • Auch die drei Durchmesser bieten keine Überraschungen (Abb. 2.3).

Abb. 2.2: Die Längenmaße

Abb. 2.3: Die Durchmesser

2.2 Synchronisieren von Skizzenelementen

  • Die Skizzenfasen am linken Ende werden wir mit einem Trick vereinfachen:

Setzen Sie links und rechts am Vorsprung links je eine Fase 0.2 x 45° an. Löschen Sie die beiden Bemaßungen der rechten Fase. Bejahen Sie die Abfrage nach dem Löschen von Skizzenbeziehungen und ergänzen Sie diese wieder (Abb. 2.4).

Abb. 2.4: Zwei identische Fasen

Markieren Sie beide Fasenlinien und wählen Sie die Skizzenbeziehung Gleich.

Abb. 2.5: Das Geheimnis zweier identischer Fasen? Sie sind sowohl gleich …

Dadurch sind die beiden Stücke zwar immer gleich lang, doch ihre Neigungswinkel können immer noch verschieden sein. Eine Möglichkeit wäre natürlich die Vergabe einer Symmetriebeziehung, aber wir haben keine Mittellinie (und führen auch keine ein). Außerdem gibt es eine einfachere Möglichkeit:

  • Markieren Sie die unteren Endpunkte der Linienstücke und verknüpfen Sie sie durch eine Horizontalbeziehung (Abb. 2.6).

Abb. 2.6: als auch horizontal miteinander verknüpft

Hierdurch sparen wir zwei Maße in einer ansonsten recht maßhaltigen Skizze. Eine gewisse Ökonomie der Bemaßungen zahlt sich nicht nur bei der Kontrolle über die Skizze aus, sondern auch bei deren Konfiguration – ein Thema für später.

2.3 Doppelter Winkel: Modellieren einer Bohrung

Das Niet-Ende auf der rechten Seite soll nun außen einen Absatz und innen eine Bohrung erhalten. Im Rotationsquerschnitt sind das nicht mehr als ein paar Linien:

Zeichnen Sie zwei Linien von der Mittellinie aus zum Ende hin, wie es in Abb. 2.7 durch die blauen Linien dargestellt ist.

Trimmen Sie die beiden überzähligen Linien der rechten unteren Ecke, bis wieder eine geschlossene, einteilige Kontur entsteht.

Das Problem ist vielmehr das Bemaßen der Bohrung, denn üblicherweise wird hierzu nicht nur die Tiefe, sondern auch der Spitzenwinkel des Bohrers angegeben. Wir haben jedoch nur die halbe Bohrung und daher auch nur den halben Winkel.

Zur Lösung erinnern Sie sich bitte an die Bemaßung der Durchmesser mit dem doppelten Abstand, wie Sie sie beispielsweise vorhin in Abb. 2.3 angebracht hatten. Der doppelte Abstand dient dazu, in Halbquerschnitten volle Maße zu erhalten, die man auch in der Zeichnungsableitung auswerten kann. Ähnliches gibt es auch für Winkel wenn auch nicht als eingebauten SolidWorks-Makro:

  • Bemaßen Sie den Durchmesser durch einen doppelten Abstand mit 1.2 mm
  • Zeichnen Sie eine Konstruktionslinie ein, die etwa spiegelsymmetrisch zur Schrägen liegt (Abb. 2.8, Kreis). Verknüpfen Sie sie deckungsgleich mit dem Knickpunkt.

Abb. 2.7: Modellieren der Bohrung

Markieren Sie die Endpunkte der beiden Schrägen sowie die Mittellinie und verknüpfen Sie sie durch eine Symmetriebeziehung.

  • Jetzt können Sie die Schräge nur noch symmetrisch ziehen. Und da der Durchmesser bereits definiert ist, gelingt selbst dies nur in der Horizontalen (Abb. 2.9).

Abb. 2.8: Doppelter Winkel: eine Stützlinie für die Bemaßung mit vollem Winkel

  • Ziehen Sie diese „Spitze“ dann wieder so, dass sie nach links zeigt. Bemaßen Sie den Winkel mit 118° (Abb. 2.10). Damit ist die Skizze voll definiert.

Abb. 2.9: Oberster Grundsatz beim Skizzieren ist die maximale Beschränkung vor der Bemaßung!

Aber leider ist sie noch nicht fertig. Sie erinnern sich, dass der Anker im genieteten Zustand gebraucht wird? Der Anker wird durch eine Bohrung des Grundkörpers gesteckt und umgebördelt. Sein Ende wird dadurch um 180° gedreht und kommt genau auf die Blechstärke des Grundkörpers zurück nämlich einen Millimeter.

  • Modellieren wir diese Geometrie:

Abb. 2.10: Die Bohrung ist fertig bemaßt, die Skizze voll definiert

Zeichnen Sie einen tangentialen Kreisbogen aus der Symbolleiste Skizze vom mittleren horizontalen Linienende und führen Sie ihn im Halbkreis links herum, wie es in Abb. 2.11 gezeigt wird (oberer Kreis). Achten Sie darauf, dass er bei 180° „einschnappt“.

Zeichnen Sie parallel dazu einen zweiten Bogen ans untere Ende der Kontur (unterer Kreis).

  • Klicken Sie das vormalige vertikale Ende der Kontur an und aktivieren Sie im PropertyManager die Option Für Konstruktion (Abb. 2.12). Hierdurch wird das Objekt in eine Konstruktionslinie umgewandelt und verliert den direkten Einfluss auf den Modellquerschnitt.

Abb. 2.11: Tangential werden die beiden Bogenstücke angefügt

  • Hierdurch wird die Kontur geöffnet.

Abb. 2.12: Umwandeln einer Körperkante in eine Konstruktionslinie

Zeichnen Sie eine zweite vertikale Linie, die die Enden der beiden Kreisbogen miteinander verbindet. Richten Sie die beiden Vertikalen kollinear aufeinander aus (Abb. 2.13).

Noch sind die Bogen nicht konzentrisch. Dies lösen Sie auf ungewöhnliche Art:

Verknüpfen Sie die beiden Vertikalen gleich.

Abb. 2.13: Schließen und Ausrichten der Kontur

2.4 Wie beschränkt ist genug?

Wenn Sie nun einen der Bogen wegziehen, geht der andere ganz brav und vernünftig mit (Abb. 2.14).

Auch ohne konzentrische Beschränkung sind die beiden also konzentrisch beschränkt. Wie ist das möglich?

Nun, die beiden Endlinien sind nicht nur jeweils vertikal, sondern auch gegenseitig kollinear und gleich beschränkt, und die untere ist durch das Maß 6 mm mittel- bar an den Ursprung gekettet. Sie ist außerdem beidseitig mit den Horizontalen verbunden, die ihrerseits vollkommen definiert sind. Die beiden Bogen laufen tangential aus diesen Horizontalen aus. All das ergibt im wahrsten Sinne des Worts zwangsläufig eine konzentrische Beschränkung!

Der Clou aber liegt in folgendem Experiment:

  • Verknüpfen Sie die beiden Bogen zusätzlich konzentrisch. SolidWorks merkt diesmal nichts von der doppelten Moppelei (Abb. 2.15)!

Abb. 2.14: Merkwürdig: Die Bogen folgen offenbar einer inoffiziellen Beschränkung …

Sie brauchen diese Beziehung allerdings nicht in beiden Fällen genügt ein einziges Horizontalmaß und die Skizze ist voll definiert:

  • Bemaßen Sie den Abstand zwischen dem linken, oberen Ende des äußeren Bogens und seinem rechten Quadranten mit 0.5 mm (Abb. 2.16).

Abb. 2.15: Ha, überlistet: Probehalber wurden die Beziehungen Konzentrisch und Gleich hinzugefügt. Die Alarmglocken bleiben stumm

  • Entfernen Sie sicherheitshalber die konzentrische Beziehung von eben, selbst wenn SolidWorks diesmal die Redundanz gestattet.

In Abb. 2.17 sehen Sie noch einmal die vollständige Skizze mit allen Maßen und Beziehungen.

Abb. 2.16: Zauberei: Die Skizze wird durch ein einziges Maß festgezurrt

Abb. 2.17: Reife Leistung: die Skizze des Ankers

Nennen Sie die Skizze Sk Anker und rotieren Sie sie mit Aufsatz/Basis rotiert um 360°. Nennen Sie das Feature R Anker (Abb. 2.18).

  • Speichern Sie das Bauteil.

Abb. 2.18: Der Nietanker im Schnitt. Der Abstand zwischen Absatz und Bördelung beträgt genau 1 mm die Blechstärke des Grundkörpers.

Kontrollfragen

Noch einmal zum Beispiel mit den zwei gleichen Fasen in Abschnitt 2.2 Synchronisieren von Skizzenelementen, auf S. 19: Warum überhaupt sollten Sie Bemaßungen einsparen?

Sie kennen den doppelten Abstand. Wie funktioniert unsere Eigenkreation, der doppelte Winkel, eigentlich genau?