Lektion Fortschritt:

1 Arbeiten mit Bogen

Nach den ersten Hürden der Konstruktion geht es nun rasch an die Herausforderungen im virtuellen Konstruieren. Probleme mit voll, über-, unter- oder schlicht falsch definierten Skizzen treten immer deutlicher zutage.

1.1 Die Lagerbuchse

Das wird am folgenden Bauteil deutlich:

  • Erstellen Sie das Bauteil St Lagerbuchse und legen Sie auf der Ebene vorne eine Skizze an.

  • Zeichnen Sie eine liegende Mittellinie deckungsgleich auf den Ursprung.

Da unsere Lagerbuchse eine Achse aufnimmt, benötigt sie eine durchgehende Bohrung. Daher wird ihre Kontur die Mittellinie nirgends berühren.

  • Zeichnen Sie den Linienzug nach Abb. 1.1. Es dürfen nur horizontale und vertikale Beziehungen sowie eine deckungsgleiche Beziehung existieren.

  • Verknüpfen Sie die linke untere Ecke und den Ursprung vertikal. Hierzu wählen Sie tatsächlich nur die beiden Punkte (Abb. 1.2).

Abb. 1.1: Die Grundskizze der Lagerbuchse

  • Die Skalierungsfunktion hakelt gelegentlich etwas, wie wir herausgefunden hatten. Um das zu verhindern, skalieren Sie die Skizze, bevor Sie den Bogen einbauen:

Legen Sie die Breite der Horizontalen auf 6 mm fest.

Abb. 1.2: Die Ecke wird vertikal mit dem Ursprung verknüpft

Fügen Sie nun einen Kreis ein. Setzen Sie den Radius in die Nähe der linken, unteren Ecke und ziehen Sie so, dass ein Bogenstück die rechte, obere Ecke schneidet (Abb. 1.3). Achten Sie darauf, keine unbeabsichtigten Skizzenbeziehungen zu erzeugen.

Abb. 1.3: Statt eines Kreisbogens verwendet man oft schneller einen Kreis

Trimmen Sie erst den Rest des Kreises gegen die Kontur, dann die überstehenden Linienstücke der Ecke gegen den Kreis. Am Ende bleiben nur ein Bogenstück als Ecke und die einzelne Maßhilfslinie (Abb. 1.4).

Abb. 1.4: Trimmen des Bogens und der Ecke gegeneinander

1.2 Bemaßung mit System

Bemaßen Sie nun die Skizze:

  • Zuerst die Durchmesser, die in einer Rotationsskizze die Höhen ersetzen (Abb. 1.5). Diese legen Sie wieder als doppelte Abstände an.

  • Dann bemaßen Sie die Längen, zu denen auch der Abstand des Bogenmittelpunkts vom Ursprung gehört (Abb. 1.6).

Abb. 1.5: Die Durchmesser der Lagerbuchse

Abb. 1.6: Die Längenmaße und der Radius

1.3 Die Maßart bestimmen

Diese beiden Punkte liegen auf verschiedenen Höhen, sodass zunächst ein ausgerichtetes Maß angeboten wird.

  • Ziehen Sie den Cursor einfach nach unten, bis ein Horizontalmaß daraus wird (Abb. 1.7).

Abb. 1.7: Bestimmen der Maßart durch Bewegen des Cursors, hier als Komposit

1.4 Sperren von Bemaßungen

Falls dies absolut nicht gelingen will, achten Sie darauf, ob der Cursor ein sogenanntes gesperrtes Maß anzeigt: Wenn das Schloss verriegelt ist, so können Sie die Maßart ändern (!). Ist es jedoch geöffnet, so können Sie nur noch die genaue Position der Maßpfeile und der Maßzahl bestimmen. Diese beiden Modi toggeln Sie wie auch die Icons suggerieren beliebig oft via Rechtsklick.

  • Schließlich definieren Sie noch den Winkel und den Radius (Abb. 1.8).

Achten Sie beim Winkel darauf, einen spitzen Winkel zu erhalten, sonst werden Sie auch bei der Zeichnungsableitung Probleme haben.

  • Dies erreichen Sie durch Anklicken der beiden Schenkel (Kreise) und ebenfalls genaues Positionieren des Cursors. Möglicherweise ist es geschickter, Sie zoo- men mit dem Mausrad ein, während Sie das Maß positionieren.

Das Radiusmaß ist allerdings die kleinste Ihrer Sorgen:

  • Klicken Sie einfach auf den Kreisbogen. Danach können Sie die Maßzahl aus der Kontur ziehen, wodurch automatisch Hilfsbogen gesetzt werden.

Damit ist auch diese Skizze voll definiert. Wir könnten also zufrieden sein

Abb. 1.8: Die Bemaßungen für Winkel und Radius

1.5 Solver: Die Ellipsur des Radius

Es bleibt trotzdem rätselhaft, warum der Radiusmittelpunkt scheinbar keine Höhenbemaßung braucht, obwohl die Skizze lückenlos definiert zu sein scheint. Aber er bleibt standhaft, wenn Sie ihn wegzuziehen versuchen.

  • Das Rätsel beginnt sich zu lüften, wenn Sie das Maß 1.30 löschen und den Radiusmittelpunkt verschieben (Abb. 1.9).

Abb. 1.9: Bogen in der Umlaufbahn: Der Radius ist bereits durch andere Elemente beschränkt. Dies ist ein Komposit aus fünf Bildern.

  • Nicht nur, dass Sie ihn nicht frei hin und her ziehen können und dass ihm treulich immer ein paar Skizzenelemente nachfolgen der Bogen bewegt sich auch schein- bar selbst auf einer Art Kurve!
  • Für die Abbildung wurden fünf Stadien übereinandergelegt, die Mittelpunkte jeweils durch Kreise hervorgehoben und ihre „Bahn“ außerdem durch eine Ellipse angenähert. Es wirkt wie ein Stich vom alten Kepler.
  • Die Erklärung ist ebenso komplex: Der Radius wird durch die angrenzenden Linienelemente derart gehemmt, dass er sich selbst nur auf einer festgelegten Bahn bewegen kann. Diese Bahn ist natürlich keine Ellipse, sie ist weitaus komplizierter. Doch der Statistiker sagt: Eine Teilkoordinate auf einer Kurve – sagen wir mal der x-Wert – genügt zur Bestimmung der anderen Teilkoordinate, also y – so funktionieren ja genau Diagramme. Mit anderen Worten: Wenn wir das Breitenmaß haben, dann zwangsläufig auch das Höhenmaß und damit den ganzen Punkt. Von wegen voll definiert.

Sie sehen nun, warum die Amerikaner Software für Skizzenbeziehungen und steuernde Bemaßungen kurz als Solver bezeichnen, zu Deutsch „Gleichungslöser“: Was Sie da in Wahrheit sehen, wenn Sie Ihre Skizzenelemente verschieben, ist ein ständiges Rechnen, ständiges Harmonisieren, unablässiges Lösen eines Systems aus vielen Gleichungen mit vielen minus einer Unbekannten. Kann eine Lösung nicht gefunden werden, dann haben höchstwahrscheinlich Sie gemauschelt. So erklärt sich schließlich auch die Sache mit der Überbestimmung im ersten Lehrbrief.

Genauer: 2D-Solver, denn wir skizzieren ja in der Ebene

1.6 Alternativen zur vollständigen Definition

Bevor Sie das Maß 1.30 wieder ansetzen, warten Sie noch. Denn es gibt noch zwei weitere Elemente in der Skizze, die anscheinend sogar ganz ohne Maß zurechtkommen. Haben Sie sie entdeckt?

Es ist die kurze Horizontale rechts neben der Schräge und das Horizontalmaß des Bogens.

  • Solange das Bogenzentrum nicht bemaßt ist, können Sie abwechselnd eines dieser beiden Maße setzen – der Zahlenwert ist nebensächlich. Aber die Skizze wird auch in diesen beiden Fällen voll definiert sein (Abb. 1.10).

Abb. 1.10: Wunschlos glücklich werden diese beiden Linienstücke sein, sobald der Radius festgelegt ist

  • Löschen Sie das Experimentalmaß jetzt wieder und bemaßen Sie den Horizontalabstand des Zentrums wie gehabt mit 1.3 mm (vgl. Abb. 1.6).
  • Nachdem Sie die Skizze nun eingehend untersucht haben, können Sie sie zu etwas Produktivem gebrauchen:

Schließen Sie die Skizze, nennen Sie sie Sk Buchse und rotieren Sie sie um 360°.

  • Nennen Sie das Feature R Buchse und speichern Sie das Bauteil (Abb. 1.11).

Abb. 1.11: In Gold gefasst: die Lagerbuchse für die Baugruppe Stanze

Kontrollfragen

Wie ändern Sie die Ausrichtung einer intelligenten Bemaßung während der Erstellung?

Müssen Sie sämtliche Elemente in einer Skizze bemaßen, um diese voll zu bestimmen?

Könnte das zum Problem werden?