Lektion Fortschritt:

2 Verrundungen II

Kommen wir zur Entspannung zu etwas völlig anderem: den Verrundungen, genauer, den Verrundungs-Features. Sie werden jetzt einwenden, verrundet hätten Sie schon. Aber seien Sie versichert: Sie haben noch gar nichts gesehen.

Wenn Sie die bisherigen Features einmal miteinander vergleichen, fällt Ihnen ein gewaltiger Unterschied auf: Der PropertyManager für Verrundungen ist bedeutend mächtiger als der für Fasen (Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Die PropertyManager der Verrundung (links) und der Fase im direkten Vergleich

Dies hat seinen Grund in den unterschiedlichen Ansprüchen. Fasen dienen nur dazu, Kanten zu brechen, um beispielsweise Verletzungen von Mensch und Kabel zu vermeiden. Verrundungen, oder in Schlossersprache: Radien, dienen diesem Zweck nur untergeordnet, weil sie viel aufwendiger zu fertigen sind.

Die Zahl der konstruktiven Anwendungen für Radien jedoch ist Legion.

2.1 Der Radius an sich

Sehen Sie sich beispielsweise ein Guss-Gehäuse an, ein Getriebe oder einen Motor- block, so werden Sie alle Kanten verrundet sehen, bis auf diejenigen, die durch die nachträgliche spanende Bearbeitung entstanden – diese haben eher Fasen. Die Radien dienen einem gusstechnischen Zweck: Man kann keine Kanten gießen. Die Querschnittsübergänge sollen sanft und allmählich sein, der Gusswerkstoff soll gleichmäßig erkalten, um Spannungen zu vermeiden. In der Textilindustrie verhindern hochglanzpolierte Radien an Führungen das Aufrauen, Spleißen und Reißen des sehr schnell durchlaufenden Fadens. Bei Blechteilen verhindern genormte Mindestbiegeradien die Schwächung und den Bruch der Tafel. Beim Spritzgießen erleichtern Radien das Ausformen, es sei denn, die Kante entsteht durch eine Trenn- fuge. Ähnliches wie beim Metallgießen gilt natürlich auch hier. Für all diese und noch mehr Anwendungen sind die vier Typen von Radien nach Abb. 2.1 gedacht.

2.1.1 Verrundung mit konstanter Größe

Nun bestehen die meisten Bauteile des Hefters aus Spritzgieß- und Blechteilen – das Thema Radien ist also auch für uns relevant. Da die Möglichkeiten so immens sind, gebe ich Ihnen hier einen Abriss der Funktionalität, während Sie am Bauteil arbeiten:

Schalten Sie um zur Konfiguration Ex Konter. Das mindert die Gefahr, aus Versehen die Zähne zu verrunden.

Schalten Sie die Verrundung ein. Wählen Sie den Verrundungstyp Verrundung mit konstanter Größe und für die zu verrundenden Elemente die Optionen Vollständige Vorschau und Tangentenfortsetzung – hierdurch werden all diejenigen Kanten einbezogen, die an die gewählte Fläche, Ecke oder Kante anschließen.

  • Wie Sie gleich sehen werden, ist es nicht schlimm, wenn sich – wie hier – bereits Radien im Bauteil befinden: Sie werden erkannt und übergangen (Abb. 2.2).

  • Stellen Sie als Verrundungsparameter Symmetrisch ein, wodurch ein einzelner Radiuswert angesetzt wird. Dieser betrage 0.2 mm.

Abb. 2.2: Verrunden von Ex Konter

2.1.2 Variable Verrundungen

Bei Asymmetrisch könnten Sie zwei Radien einstellen, die über den Querschnitt interpoliert würden. Wenn Sie hingegen verschiedene Radien über die Länge erreichen wollen, wählen Sie den zweiten Verrundungstyp, Verrundung mit variabler Größe.

Und ja, selbstverständlich können Sie auch diese beiden kombinieren! In Abb. 2.3 wurde spaßeshalber ein variabler Radius definiert, der sowohl zwei asymmetrische als auch vier variable Radien zu bieten hat. Rechts unten sehen Sie die Fähnchen mit den Werten und der prozentualen Verteilung P über die gesamte Kantenlänge. Der Radiusverlauf selbst ist zur besseren Kenntlichkeit in Orange gehalten.

Abb. 2.3: Fiktion und Wirklichkeit: die Kante mit acht verschiedenen Radien, welche fließend ineinander übergehen

2.1.3 Verrundungsparameter und -profile

Weiter geht’s mit den richtigen Einstellungen. Zunächst die Gruppe Verrundungsparameter:

  • Lassen Sie die Option Verrundung mit mehrfachen Radien inaktiv, denn die ist dazu gedacht, mehrere Kanten auf einmal zu verrunden, und zwar mit unterschiedlichen, konstanten Radien.

Dies ist nützlich, wenn Sie es auf eine bestimmte Eckenform abgesehen haben. Sie sehen schon, für den gewiegten Bastler ergeben sich unendliche Möglichkeiten.

  • Als Profil stellen Sie Kreis ein.

Diese Einstellung betrifft wiederum die Querschnittsform. Der Kreisbogen als Querschnitt ist der Grund für den Spitznamen Radius, aber natürlich können hier auch andere Kurven gewählt werden, etwa das konische Rho, ein Verhältnis zweier Längen, mit dem Sie die Kegelschnitte Ellipse (rho < 0.5), Parabel (rho = 0.5) und Hyperbel (rho > 0.5) als Querschnitte definieren.

  • Mit der Gruppe der Offset-Parameter steuern Sie die Form von Ecken, an denen sich mehrere Radien treffen.

2.1.4 Verrundungsoptionen

Nächste Station sind die Verrundungsoptionen:

  • Durch Flächen auswählen bewirkt, dass Sie Kanten wählen können, die durch den Körper verdeckt sind, die sich also auf seiner Rück- oder Innenseite befinden. Es ist allerdings schon schwer genug, Kanten nicht zu wählen – also lassen Sie dies am besten inaktiv.
  • Aktivieren Sie Features beibehalten, um bestehende Einzelheiten nicht einfach abzuschleifen. Features können andernfalls vollständig verschwinden, sobald ihre definierenden Kanten verrundet werden.
  • Lassen Sie die Option Ecken verrunden inaktiv. Sie bewirkt eine Überblendung von Verrundungen, die einander an einer Ecke begegnen.
  • Belassen Sie die Übergänge auf Standard. Das bedeutet, Sie lassen SolidWorks wählen, welche Art von Geometrie – Kanten oder Flächen – den Vorzug erhalten soll, wenn z. B. der Radius, der auf einer geraden Kante ausläuft, entweder eine gerade Kante mit angepasster Fläche oder eine korrekte Fläche mit geschwungener Kante erzeugt. Beides ist nicht drin bei Schnittkurven zweiter Ordnung.

Das Verrunden selbst ist einfach: Wählen Sie einfach die Flächen, Kanten und Ecken, Körper oder Features aus, die verrundet werden sollen. Letztere können Sie sogar über den aufschwingenden FeatureManager wählen! Wie immer werden die Elemente in die Auswahlliste übernommen und bei Verrundungen auch als Vorschau angezeigt.

  • Wählen Sie zunächst die acht Seiten der Verstärkungsrippen. Ein 3D-Navigator ist bei dieser Art von Arbeit überaus praktisch (Abb. 2.4)!

  • Wählen Sie dann auch die vier Boden-Viertel, um die Wandradien zu vollenden (kurzer Pfeil).
  • Schließlich wählen Sie noch die vier unteren Wandungen, um die umlaufende Kante zu verrunden (langer Pfeil). Bestätigen Sie.

Hierauf sollte sich der Anblick nach Abb. 2.5 ergeben. Alle inneren Kanten sind verrundet, bis auf die Achsbohrungen.

Abb. 2.4: Anwahl der Verrundungselemente. Die Vorschau ist hier schwarz statt normalerweise gelb gefärbt.