1 Variantenkonstruktion (Teil 1)
Weiter geht’s mit Top-down und den Kindern der sechsgeeckten Achse. Die Bauteile Antriebs- und Gegenrad sind einander derart ähnlich, dass wir sie nur einmal konstruieren und dann zwei Varianten dieses Bauteils erstellen: Die Rede ist vom weiten Feld der Variantenkonstruktion, wobei die einzelnen Varianten in Solid-Works als Konfigurationen bezeichnet werden.
1.1 Die Methodik der Varianten
Die Vorgehensweise ist denkbar einfach: Sie fassen zwei oder mehr oder beliebig viele Bauteile zu einem einzigen zusammen und definieren die Unterschiede zwischen ihnen.
Auch der Zweck ist klar: Durch Variation sparen Sie Arbeit und gewinnen Ordnung. Sie werden noch sehen, wie praktisch konfigurierte Bauteile zu handhaben und zu verwalten sind.
Der Sinn der Methode dagegen ist schon etwas schwerer zu fassen: Bei konfigurierten Teilen arbeiten Sie Unterschiede heraus, während Sie bei unabhängigen, aber doch zusammengehörigen Teilen die Gemeinsamkeiten beschreiben müssten.
Natürlich eignen sich nicht alle Objektgruppierungen zur Variation: Sie können eine Kutsche, ein Dreirad und einen Autobus nicht als Varianten eines Pkw behandeln, bloß weil es sich durchweg um mehrspurige Fahrzeuge handelt. Der Trick besteht in der Fähigkeit, die Priorität einer Gruppe von Objekten zu erkennen: Sind es die Ähnlichkeiten oder sind es die Unterschiede? Ein gutes Beispiel wären sämtliche Sechskantschrauben nach DIN EN ISO 4014. Oder eher ein Heimspiel, denn die Normreihe ist ja bereits Ausdruck einer Variation des immer gleichen Bauteils.
Im folgenden Beispiel konstruieren Sie die beiden Haupträder des Exzenters, die in erster Linie zusammenpassen müssen – hier sind definitiv die Gemeinsamkeiten wichtiger …
1.1.1 Das Antriebsrad
Erstellen Sie ein neues Teil und speichern Sie es unter Ex Räder.
- Hier definieren wir die Antriebs- und die Gegenseite des Kurbeltriebs.
Jawohl. Mehrzahl.
Fügen Sie ein Teil ein und wählen Sie im Ordner \Verzahnungen von CD3 die Datei Zahnrad 4 (Mühlrad).Sldprt.
-
Aktivieren Sie in der Rubrik Übertragen die Optionen Volumenkörper, Achsen und Absorbierte Skizzen. Bestätigen Sie.
Das Zahnrad wird auf dem Ursprung eingefügt. Achsen und Skizzen sind jedoch noch ausgeblendet (Abb. 1.1).
Skizze1 bildet den Querschnitt des Grundkörpers, den sogenannten Kopfkreis des Zahnrads, aus dem die Verzahnung mithilfe von Skizze2, einem linearen Schnitt und einem Kreismuster ausgeschnitten wird.
Beim Modellieren von Konfigurationen gibt es eine Grundregel, die Sie kennen soll- ten, bevor Sie anfangen: Bevor Sie die Unterschiede herausarbeiten, modellieren Sie die Gemeinsamkeiten.
Kommen wir jetzt aber wieder zu etwas Realistischem:
- Legen Sie auf dem Grund dieser „Schüssel“ eine neue Skizze an.
Wir vertiefen sie noch etwas, um das Zahnrad auszuhöhlen und wenigstens einigermaßen gleichmäßige Wandstärken zu erreichen, denn das Teil soll im Kunststoff-Spritzgießverfahren gefertigt werden.
Abb. 1.4: Sauber angedreht: der Rand auf dem Zahnrad
Schneiden Sie die Skizze mit einem linear ausgetragenen Schnitt 2.8 mm tief ins Material ein und nennen Sie diesen S Wand.
Fehlen nur noch ein paar Hohlkehlen für diesen Übergang:
1.1.2 Verstärkungsrippen
Kommen wir nun zu dem Grund, aus dem heraus das importierte Zahnrad vorhin als Mühlrad bezeichnet wurde: einem zentralen Kreuz aus Verstärkungsrippen:
- Klicken Sie auf den breiten Rand der „Schüssel“ und fügen Sie dort eine neue Skizze ein.
- Zeichnen Sie ein Kreuz aus zwei Linien, die jeweils deckungsgleich von Quadrant zu Quadrant des inneren Kreises gehen. Nutzen Sie die Fangfunktion (Abb. 1.7).
Rufen Sie aus der Symbolleiste Features die Funktion Verstärkungsrippe auf. Der PropertyManager erscheint.
- Wählen Sie die Schaltfläche Mitte und geben Sie 2 mm ein. Als Richtung der linearen Austragung – denn um eine solche handelt es sich im Grunde – stellen Sie Normal auf Skizze ein. Das führt zu einer Rippe, die lotrecht auf der Skizzierebene steht und damit ins Innere der Schüssel führt. Den Typ belassen Sie auf Linear. Bestätigen Sie dann (Abb. 1.8).
1.1.3 Austragung bis Oberfläche
1.1.4 Die Stabilität eines Modells
Wahrscheinlich fragen Sie sich schon, weshalb wir alles umgekehrt konstruieren: Die Rippen von oben nach unten, die Nabe von oben nach unten und im Folgenden auch noch den Exzenter. Der Grund wird Ihnen durch das folgende Experiment klar:
- Führen Sie einen Doppelklick auf Sk Rand aus, die Skizze von R Rand. Skizze und Bemaßungen werden eingeblendet
- Ändern Sie das Maß 2.80 auf 6 mm und klicken Sie auf Wiederaufbauen, die Ampel im Dialogfeld Modifizieren (Abb. 1.12).
Ergebnis: Der Rand wird höher und Rippen und Nabe folgen getreulich nach – denn Sie hatten ja auch alle nachfolgenden Skizzen auf diesem Rand angelegt!
Dieses „automatisch richtige“ Verhalten müssen Sie dem Modell erst beibringen, denn SolidWorks weiß nichts von Ihren Wünschen. Parametrik ist sicher eine tolle Sache, aber Sie haben über die letzten 200 Seiten auch erfahren, wie falsch man Dinge logisch verknüpfen kann und welcher Dschungel an logischen Folgen dar- aus entsteht – unmöglich, all das unter Kontrolle zu halten! Derartige Experimente helfen Ihnen nicht nur, Ihre Logik zu prüfen, sondern auch und vor allem, richtig modellieren zu lernen.
1.1.5 Die Skizze für den Exzenter
Eine zweite Verstärkung benötigen wir noch für die Achse des Exzenters. Da das Feature für die beiden Varianten unterschiedlich ausfällt, modellieren wir zunächst nur die ihnen gemeinsame Skizze:
Legen Sie – wiederum auf dem breiten Rand – eine Skizze an. Zeichnen Sie eine vertikale Mittellinie ein und verknüpfen Sie sie deckungsgleich mit dem Ursprung.
-
Zeichnen Sie einen Kreis deckungsgleich auf die Mittellinie und bemaßen Sie ihn mit einem Durchmesser von 5 mm, seinen Abstand vom Ursprung mit 15 mm (Abb. 1.13). Schließen Sie die Skizze und nennen Sie sie Sk Exzenter.
Bis hierher reichen die Gemeinsamkeiten der beiden Räder. Mit der Extrusion des Exzenters beginnen die Unterschiede, weshalb wir jetzt in Varianten – oder Konfigurationen – weiterarbeiten.
1.2 Arbeiten mit Konfigurationen
Um die beiden Varianten Antriebsrad und Gegenrad zu erzeugen, nutzen Sie die Funktionsgruppe der Konfigurationen:
- Schalten Sie auf die dritte Registerkarte um, den ConfigurationManager.
In jedem neuen Bauteil befindet sich mindestens eine Konfiguration. Sie trägt den Namen Standard, erweitert um den Namen des Bauteils (Abb. 1.14).
Geben Sie zunächst einen sprechenden Namen ein, für die Antriebsseite lautet er Ex Z4.
- Ins Editierfeld Beschreibung geben Sie Verzahnungsseite oder Antriebsseite ein. Das mag hier nicht viel Sinn ergeben, aber es unterstützt die Identifikation erheblich, wenn Sie einige Dutzend Varianten haben.
Sie können auch einen längeren Kommentar eingeben, der dann z. B. in der Stück- liste auftauchen könnte. Die Benutzereigenschaften führen zur Registerkarte Kon- figurationsspezifisch in den Dokumenteigenschaften. Ein Thema für später.
- Wählen Sie unter Stücklistenoptionen, welcher der drei Texte unter Benennung in einer Stückliste aufgeführt werden soll. Am sinnvollsten erscheint hier der Konfigurationsname.
- Die Option Features unterdrücken bedeutet, dass alle Features, die Sie dem Modell von hier an zufügen, nur in der aktuellen Konfiguration aktiv sind, in allen anderen jedoch unterdrückt werden. Aktivieren Sie sie.
- Stellen Sie schließlich noch eine konfigurationsspezifische Farbe ein. Diese Einstellung ermöglicht Ihnen eine sehr übersichtliche Konfigurationsbearbeitung, besonders wenn viele Konfigurationen oder mehrere konfigurierte Bauteile im Spiel sind. Stellen Sie für die Antriebsseite einen fliedernen Farbton ein.
Zahnrad 4 gehört also zur Baugruppe Exzenter
1.3 Eine neue Konfiguration erstellen
Da wir für den Exzenter zwei Seiten benötigen, erstellen Sie nun auch eine zweite Konfiguration:
- Führen Sie einen Rechtsklick auf die oberste Instanz – Ex Räder – aus und wählen Sie Konfiguration hinzufügen (Abb. 1.16).
Das Prozedere ist das gleiche wie eben:
- Nennen Sie die Konfiguration Ex Konter, geben Sie als Beschreibung Gegenseite ein und wählen Sie für die Stückliste wieder den Konfigurationsnamen. Aktivieren Sie auch hier Features unterdrücken und stellen Sie als Farbe z. B. ein gedecktes Grün ein (Abb. 1.17). Bestätigen Sie.
Abb. 1.16: Einfügen einer neuen Konfiguration
1.3.1 Extrusion mit seitlicher Begrenzung
Konfigurationen verhalten sich im Grunde wie eigenständige Bauteile innerhalb der Teildatei:
Sie können immer nur eine Konfiguration aktivieren. Dazu führen Sie einfach einen Doppelklick auf deren Namen im ConfigurationManager aus.
- Änderungen dagegen können Sie grundsätzlich für bestimmte oder alle Konfigurationen zugleich vornehmen – oder nur für die aktive.
- In allen Fällen aber muss die aktive Konfiguration zu den Rezipienten dieser Änderung gehören.
Die Materialverstärkung für den Exzenter ist konfigurationsweise unterschiedlich:
- Schalten Sie auf die Konfiguration Ex Z4 um.
- Klicken Sie auf Sk Exzenter und tragen Sie sie mit einem linear ausgetragenen Aufsatz aus (Abb. 1.18).
Richten Sie ruhig ein zweites Ansichtsfenster ein, um das Antriebsrad zugleich von unten betrachten und die Auswirkungen der einzelnen Endbedingungen abschätzen zu können. Verwenden Sie die Doppelansicht Vertikal, die Sie z. B. über die Leertaste und das Dialogfeld Ausrichtung erreichen.
- Bestätigen Sie das Feature und nennen Sie es A Exzenter Z4.
- Öffnen Sie es dann gleich wieder, so erscheint im unteren Bereich des PropertyManagers die Rubrik Konfigurationen (Abb. 1.19).
- Schalten Sie um auf die Konfiguration Ex Konter (Abb. 1.20).
Jetzt sollte nicht nur das jüngste Feature A Exzenter Z4 verschwunden sein, sondern auch seine Skizze – obwohl wir die doch schon vor der Konfigurationstrennung erstellt hatten!
Des Rätsels Lösung: Das Feature der anderen, jetzt inaktiven Konfiguration – vgl. Abb. 1.19 – wurde zwar unterdrückt, wodurch es natürlich auch verschwand, aber absorbierte Skizzen werden grundsätzlich ausgeblendet. Und leider geht die Konfiguration in SolidWorks nicht so weit, auch wirklich den Urzustand wiederherzustellen, nämlich: die einsame Skizze von vorhin. Nein, auch das neue Feature wird übernommen – nur eben in unterdrückter Form.
Klappen Sie das unterdrückte Feature A Exzenter Z4 auf und blenden Sie des- sen Skizze Sk Exzenter ein.
- Skizzen können Sie ein zweites Mal – und beliebig oft – verwenden, um beliebige Features zu erstellen. Hier nutzen Sie sie für die Austragung der aktuellen Konfiguration:
Klicken Sie die Skizze an und rufen Sie wieder Linear ausgetragener Aufsatz auf. Kehren Sie wieder die Erstellungsrichtung um, wählen Sie als Endbedingung diesmal jedoch Bis Oberfläche. Klicken Sie als Oberfläche die Unterseite des Zahnrads an (Abb. 1.21, rechts).
1.3.2 Skizzen virtuell verlegen: die Startbedingung
Die neue Materialverstärkung geht durch und durch, weshalb sie auch teilweise die Verzahnung überdeckt (Abb. 1.22). Die wollen wir auch gar nicht haben: Es handelt sich ja um das Gegenrad, in dessen Nähe sich keinerlei Zahnräder befinden.
Abb. 1.23: Der Zylinder, aus dem die Zähne herausgeschnitten wurden, wird durch den Kopfkreis in Skizze1 erzeugt
Klicken Sie Skizze1 an und rufen Sie Linear ausgetragener Aufsatz auf.
- Die „ganz normale“ Extrusion wird uns hier nicht froh machen. Sie sehen schon in der Vorschau, dass unweigerlich auch der Innenbereich – die „Schüssel“ – aufgefüllt wird! Generationen von 3D-Modellierern behalfen sich in solch einem Fall immer damit, einfach einen neuen Schnitt zu legen. Doch diese Lösung gleicht dem Ausschöpfen eines leckenden Boots. Sie ist nicht sauber, sie kann einen Rattenschwanz an Problemen nach sich ziehen und sie geht auf die Performance. Nein, es muss auch anders gehen (Abb. 1.24)!
Die Endbedingung Bis nächste hatten wir schon vorhin vorteilhaft genutzt (vgl. Abb. 1.18), um eine Extrusion zu begrenzen. Sie wird nur dann angeboten, wenn in Austragungsrichtung ein Hindernis steht. Das ist hier aber nicht der Fall. Es sei denn, natürlich,
Aber sobald Sie versuchen, die Richtung 2 zu konfigurieren, um auch die untere Hälfte aufzufüllen, rennen Sie in Ermangelung von Bis nächste natürlich abermals vor die Pumpe!
- Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Denn Sie können nicht nur das Ende, sondern auch den Anfang der meisten Features beeinflussen:
Abb. 1.25: Fußbad: Die ungünstige Lage der Skizze verhindert eine allseitige Lösung …
Deaktivieren Sie Richtung 2. Stellen Sie dafür in der obersten Rubrik – Von – die Bedingung Richtung/Fläche/Ebene oder, falls dies nicht zum Erfolg führt, Eckpunkt ein.
- Wählen Sie entweder den gezackten Boden des Bauteils als Startebene oder einen der Eckpunkte der Verzahnung (Abb. 1.26, Kreis) als Startpunkt.
- Wenn die Vorschau eine Füllung der Zähne anzeigt, ohne das Innere des Hohlteils auszufüllen, bestätigen Sie.
Damit haben Sie in einem einzigen Arbeitsgang die Verzahnung aufgefüllt. Und das Beste daran: Sie mussten dazu nicht einmal eine Skizze anfertigen!
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Nennen Sie das Feature A Füllung.
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Schließen Sie das Feature und öffnen Sie es gleich wieder, um es auf Diese Konfiguration zu beschränken. Andernfalls werden Sie auch das Antriebsrad seines Profils berauben.
Mit den Namen ergibt sich bei Konfigurationen ebenfalls eine Besonderheit:
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Testen Sie, ob der Name auch in die andere Konfiguration übernommen wurde. Falls nicht, benennen Sie das Feature einfach dort noch einmal.
Dies hat mit der Reihenfolge der Arbeitsschritte zu tun: Wenn Sie das Feature umbenennen, solange es noch für alle Konfigurationen gilt, mit anderen Worten, wenn Sie es gerade eben erst erstellt haben, so wird der Name auch in alle anderen Konfigurationen übernommen. Jede Änderung nach Einschränkung auf Diese Konfiguration hingegen führt natürlich auch zu genau diesem Ergebnis.