Lektion Fortschritt:

5 Teile spiegeln: das Chassis, Teil I

Das Chassis, in dem unter anderem Motor, Getriebe und Exzenter aufgehängt sind, besteht aus zwei parallelen Wänden, die sich zwar geringfügig unterscheiden, im Kern aber ebenensymmetrisch sind. Wir machen es ähnlich wie bei den Konfigurationen, indem wir erst die Gemeinsamkeiten konstruieren, dann die Unterschiede.

Bei ganzen Bauteilen läuft dieser Prozess allerdings etwas anders ab:

  • Wir konstruieren zunächst die Gemeinsamkeiten in einem Master-Bauteil, das selbst nicht verbaut wird.
  • Daraufhin fügen wir diesen „Master-Bock“ einfach in ein neues Bauteil ein – den linken Lagerbock.
  • Dann speichern wir ihn ein zweites Mal als Spiegelbild ab, als rechten Lagerbock.
  • Diese beiden neuen Teile werden dann individuell auskonstruiert. Das sind dann unsere Hälften des Getriebe-Chassis.

Es klingt etwas umständlich. Aber da die Bauteile mit dem Master verbunden bleiben, führt jede Änderung an diesem zur automatischen Korrektur beider Slaves, wohingegen Änderungen an den Slave-Bauteilen nicht zum Master zurückfließen. Somit erhalten wir individuelle Stücke mit automatisch identischer Basiskonstruktion. Sagen Sie selbst: Geht es noch einfacher?

5.1 Das Master-Stück

Zunächst brauchen wir also das Master-Teil, das alle Gemeinsamkeiten beherbergt. Trotzdem besitzt es eine Orientierung: Es entspricht dem linken Bock im Basis-Stadium. Später fügen wir es ins neue Bauteil g LAGERBOCK LINKS ein, so wie wir es schon einige Male getan haben, um es dort fertigzustellen. Den rechten Bock hingegen erhalten wir, indem wir das Master-Teil gespiegelt abspeichern – ein ähnlicher Vorgang, jedoch mit etwas anderem Ablauf.

  • Erstellen Sie ein neues Teil und speichern Sie es unter G Lagerbock.
  • Erstellen Sie auf der Ebene vorne die einfache Skizze nach Abb. 5.1. Es gibt keinerlei Überraschungen, alles ist waagerecht, senkrecht oder schräg.

Abb. 5.1: Die Grundskizze des linken Lagerbocks

  • Schließen Sie die Skizze Sk Basis und erheben Sie sie mit einem linear ausgetragenen Aufsatz um 2 mm. Nennen Sie diesen A Basis.

5.1.1 Pfadaustragung: die Randverstärkungen

Oben und unten am Rand des Körpers erzeugen wir nun Aussteifungen. Da es sich hierbei nicht mehr um lineare Austragungen handelt, sondern um solche entlang beliebig geformter Pfade, sprechen wir hier von Pfadaustragungen. Das Verfahren ist nicht kompliziert, es bringt aber einige neue Regeln mit sich, die Sie im Folgenden kennenlernen:

  • Klicken Sie auf diejenige vertikale Stirnfläche, die den Ursprung berührt, und erstellen Sie eine neue Skizze.
  • Zeichnen Sie ein Rechteck nach Abb. 5.2 und bemaßen Sie es. Achten Sie darauf, dass die linke obere Ecke deckungsgleich mit dem Ursprung verbunden ist.

Abb. 5.2: Das Profil der Pfadaustragung wird zwar auf der Innenseite angelegt, kommt aber der Außenseite zugute

  • Schließen Sie die Skizze namens Sk Profil o.

Für dieses Verfahren brauchen wir zwei Skizzen – eine fürs Profil, eine für den Pfad:

Wo es ein „O“ gibt, kommt auch noch ein „U“, wetten?

  • Klicken Sie auf diejenige Seitenfläche, die den Ursprung berührt, und fügen Sie eine neue Skizze ein. Übernehmen Sie dann die Kanten nach Abb. 5.3.

Nach der obigen Nomenklatur also wieder die innere Seite

  • Schließen Sie auch diese Skizze und nennen Sie sie Sk Pfad o.

Die Gesamtsituation sehen Sie in Abb. 5.4.

Abb. 5.3: Der Pfad besteht hier nur aus übernommenen Kanten

Abb. 5.4: Pfad und Profil sollen einander berühren

  • Rufen Sie Aufsatz/Basis ausgetragen auf.
  • Wählen Sie Sk Profil o. SolidWorks schaltet automatisch auf den Pfad weiter, also können Sie direkt Sk Pfad o anklicken (Abb. 5.5).

Abb. 5.5: Austragen des Profils entlang des Pfads

  • Öffnen Sie die Rubrik Optionen und aktivieren Sie Tangentiale Flächen verschmelzen – hierdurch entstehen bei den Knicken keine Extrakanten – und natürlich auch wieder Ergebnis verschmelzen. Bestätigen Sie und nennen Sie das Feature P Rand oben.

Das P steht für Pfadaustragung

Im Prinzip geschieht hier das Gleiche wie bei einer linearen Austragung: Sie zeichnen ein Profil und erheben es in die dritte Dimension. Bei der linearen Austragung ist der Pfad jedoch festgelegt – er steht orthogonal auf der Skizzierebene, ist linear und einteilig. Dafür müssen Sie ihn aber auch nicht skizzieren.

Die Pfadaustragung dagegen ist in der Gestaltung des Pfads fast völlig frei und wird daher auf die komplizierten Fälle angewendet.

  • Erstellen Sie auf gleiche Art Sk Pfad u und Sk Profil u, sodass die Verbreiterung nach Abb. 5.6 entsteht.
  • Pfad und Profil sind in der Abbildung angedeutet: Das Profil zeichnen Sie auf die untere Stirnfläche des Körpers.

Um das untere Profil mit dem oberen gleichzuschalten,

  • führen Sie zunächst einen Doppelklick auf Sk Profil o aus. Hierdurch wird diese Skizze samt Bemaßungen angezeigt.

Jetzt können Sie deren Maße nach altem Schema auf das untere Profil übertragen:

  • Mit einem Doppelklick modifizieren Sie das Höhenmaß (Abb. 5.7, Kreis). Geben Sie anstelle der Zahl ein Gleichheitszeichen ein und klicken Sie auf das Höhenmaß von Sk Profil o, hier 3 mm (Pfeil). Dadurch wird dessen Variablenname hinter dem Gleichheitszeichen eingefügt. Bestätigen Sie dann.

Abb. 5.6: Gleichstück: der untere Rand

  • Führen Sie dies entsprechend für das Breitenmaß durch.

Abb. 5.7: Alter Trick: Übernehmen von Bemaßungen aus einer anderen Skizze

  • Tragen Sie anschließend die Skizzen mit den gleichen Einstellungen wie vorhin zu P Rand unten aus.

5.1.2 Der Montagefuß

Verleihen wir dem Bauteil jetzt noch einen Montagewinkel mit Langlöchern:

  • Zeichnen Sie auf die hintere Stirnfläche die Skizze Sk Fuß nach Abb. 5.8.
  • Tragen Sie diese dann zu A Fuß aus, indem Sie als Endbedingung Oberfläche die vordere Endfläche wählen (Abb. 5.9, Pfeil).

Abb. 5.8: Der Montagesockel besteht ebenfalls aus einem schlichten Quader

Abb. 5.9: Austragung des Fußes

  • Speichern Sie das Bauteil.

5.1.3 Die Verstärkungsrippen

Fügen Sie jetzt noch zwei Verstärkungsrippen ein:

  • Erstellen Sie auf der gleichen Fläche eine neue Skizze. Übernehmen Sie die vertikale und die horizontale Kante und zeichnen Sie die Schräge ein. Damit ist die Skizze voll definiert (Abb. 5.10). Nennen Sie sie Sk Rippe 1.
  • Tragen Sie auch diese Skizze bis zu einer Oberfläche aus, und zwar bis zur hinteren von P Rand unten (Abb. 5.11). Nennen Sie das Feature A Rippe 1.

Abb. 5.10: Die Skizze für die Rippe an der Vorderseite

Abb. 5.11: Auch die Rippe 1 orientiert sich an bestehenden Features

Die zweite Rippe bedeutet nur unwesentlich mehr Aufwand – wir müssen nur eine Skizzierebene einziehen:

  • Klicken Sie auf die hintere Fläche, die pinkfarbene in Abb. 5.12. Rufen Sie Ebene auf. Erstellen Sie die Ebene mit einem Offset-Abstand von 27 mm von der Bezugsebene, kehren Sie eventuell den Offset um und bestätigen Sie. Nennen Sie die Ebene E Rippe 2.

Abb. 5.12: Ebene für die zweite Rippe

Auch hier fügen Sie nun eine dreieckige Rippe ein:

  • Erstellen Sie die Skizze wieder aus übernommenen Elementen und einer Schräge. Bemaßen Sie diesmal jedoch das horizontale und das vertikale Ende, denn die Rippe soll nicht bis zum Rand des Montagefußes reichen. Nennen Sie die Skizze Sk Rippe 2.
  • Tragen Sie die Skizze um 2 mm in Richtung der vorderen Endfläche aus, indem Sie die Richtung umkehren. Bestätigen Sie und nennen Sie das Feature A Rippe 2 (Abb. 5.13).

Abb. 5.13: Die Rippe 2 ist fertig

5.1.4 Lineare Skizzenmuster: die Langlöcher

Der Montagefuß benötigt noch zwei Bohrungen für die Verbindung mit dem Bodenteil. Wir führen sie als Langlöcher aus, um später noch Positionierstifte unterbringen zu können:

  • Legen Sie auf der unteren Fläche eine neue Skizze an. Achten Sie auf die Orientierung nach Abb. 5.14 – der Ursprung soll links unten liegen.
  • Zeichnen Sie die Kontur zur Rechten. Übernehmen Sie die untere Kante und beachten Sie die Höhendefinition – hier wurde ein Punkt auf dem oberen Quadranten des Bogens eingefügt, um den lichten Abstand zum Rand zu definieren (Abb. 5.14, Pfeil).

Abb. 5.14: Die Skizze für die Langlöcher

  • Rufen Sie das lineare Skizzenmuster auf. Definieren Sie unter Richtung 1 X-Achse, aktivieren Sie X-Abstand der Bemaßung. Der Abstand beträgt 31 mm, wir erzeugen 2 Kopien. Wählen Sie die drei Linien und den Bogen der Kontur. Bestätigen Sie.
  • Hierdurch entsteht die zweite Kontur und Sie können die Skizze beenden.
  • Nennen Sie sie Sk Montage und schneiden Sie sie dann blind 3 mm tief ein. Nennen Sie den Schnitt S Montage. Die fertigen Langlöcher sehen Sie in Abb. 5.15.

Abb. 5.15: Fast schon wie eine Escher- Zeichnung sehen die Langlöcher in der Perspektive aus

5.1.5 Ein Dom für die Lagerhülse

Diese Erhebung, die im Spritzgieß-Jargon als Dom bezeichnet wird, nimmt später die Senkbohrung für EX LAGERBUCHSE der Exzenter-Gruppe auf. Anders als bei den meisten anderen Bohrungen benötigen wir dieses Feature in beiden Lagerböcken, also bauen wir es in den Master ein. Durch die Spiegelung werden die beiden Features auch ganz automatisch symmetrisch und koaxial liegen:

  • Legen Sie auf dem Lagerbock außen eine neue Skizze an.
  • Zeichnen Sie einen Kreis mit dem Durchmesser 12 mm, der die in Abb. 5.16 dargestellten Abstände vom Ursprung aufweist. Nennen Sie die Skizze Sk Ex Lagerbuchse.

Abb. 5.16: Skizze und Dom für das Hauptlager

Da die Hülse eine Länge von 7,5 mm aufweist, muss diese Länge natürlich auch von deren Lager übernommen werden:

  • Tragen Sie die Skizze jeweils blind um 1 mm in Richtung 1 und 7 mm in Richtung 2 aus. Hierdurch erhält die Buchse etwas Längsspiel. Nennen Sie das Feature A Ex Lagerbuchse.

Bringen Sie jetzt die Bohrung für die Lagerhülse an:

  • Klicken Sie auf die Endfläche des kürzeren Endes auf der Außenseite des Lagerbocks und rufen Sie den Bohrungsassistenten auf. Definieren Sie eine Stirnsenkung und aktivieren Sie Benutzerdefinierte Größe anzeigen.
  • Hierdurch können Sie die Maße ganz frei definieren. Geben Sie 7.1 mm als Durchgangsbohrungsdurchmesser ein, 10.1 mm als Senkdurchmesser und 2 mm für die Stirnsenkungstiefe (Abb. 5.17).
  • Wechseln Sie zu den Positionen. Klicken Sie einen einzelnen Punkt auf der Endfläche an, den Sie dann deckungsgleich mit deren Zentrum verknüpfen.

Abb. 5.17: Die Senkbohrung für EX LAGERHÜLSE

 

  • Bestätigen Sie und nennen Sie das Feature Bo Ex Lagerbuchse.

Damit haben wir die gemeinsamen Features der beiden Lagerböcke eingetragen. Das Weitere modellieren wir individuell für links und rechts.

5.1.6 Symmetrisch und doch verschieden: komplementäre Features

Doch bei zusammengehörigen Bauteilen – wie hier den Getriebehälften – gibt es immer auch eine Kategorie von Features, die zwar nicht zu den Gemeinsamkeiten gehören, aber auch nicht völlig individuell konstruiert werden dürfen: Beispielsweise werden die Böcke durch zwei Dome miteinander verbunden, die nur an einen von beiden angegossen werden dürfen – der andere hingegen benötigt die Passungen und Bohrungen zur Verschraubung dieser Dome. Natürlich müssen sich diese Features trotzdem an exakt den gleichen Stellen befinden. Obwohl die bei- den also nicht gleich sind, ergänzen sie doch einander, und daher müssen sie symmetrisch und koaxial zueinander angeordnet werden. Nennen wir sie einfach mal komplementäre Features.

Um diese „gleichen Stellen“ später mühelos wiederzufinden, markieren wir sie einfach mit Punkten im Masterteil, sodass sie automatisch auf die Tochterteile übertragen werden. Erst dort konstruieren wir die Features aus:

  • Öffnen Sie auf der Innenfläche eine neue Skizze und tragen Sie die drei Punkte nach Abb. 5.18 ein. Achten Sie auf die Bemaßung, die stets vom Ursprung ausgeht.

Abb. 5.18: Die Markierungen für die Aufhängung des Motors (links) und die Verbindungselemente

Der rechte und der mittlere Punkt markieren hier die Montage-Dome, während der linke Punkt der Befestigung des Motors dient.

  • Schließen Sie die Skizze und nennen Sie sie Sk Verbindung. Den fertigen Master mit allen Features sehen Sie in Abb. 5.19.

Abb. 5.19: Das Master-Bauteil für die Lagerböcke. Auch die drei Punkte von Sk Verbindung sind zu sehen.

  • Speichern Sie das Bauteil.

5.2 Der rechte Lagerbock

Das Spiegelteil, also den rechten Lagerbock, erzeugen Sie einfach vom Master-Bauteil aus:

  • Wählen Sie die innere Ebene. Die mit dem Ursprung.

Wählen Sie Einfügen, Teil spiegeln.

  • Im Dialogfeld Neues SolidWorks-Dokument klicken Sie auf die übliche Vorlage für ein Bauteil und bestätigen (Abb. 5.20).
  • Wählen Sie dann die Elementgruppen, die Sie übertragen möchten – hier also vorsichtshalber alles bis auf Modellbemaßungen. Bestätigen Sie, so wird das neue Teil als Spiegelbild des Originals erstellt.
  • Speichern Sie das neue Teil unter G Lagerbock rechts (Abb. 5.21).

Abb. 5.20: Erstellen eines gespiegelten Teils; hier sind zwei Arbeitsschritte zugleich dargestellt

Abb. 5.21: Das gespiegelte Teil enthält alle Informationen des Originals – diese können jedoch nicht geändert werden. Auch die Features fehlen.

Das neue Bauteil ist tatsächlich ein Spiegelbild des Originals: Wenn Sie die linke obere Ecke genau so ausrichten wie beim Original, so sind beide identisch – aber die Außenseite befindet sich jetzt auf der anderen Seite!

  • Schließen Sie g LAGERBOCK RECHTS, um Irrtümern vorzubeugen.

So was geht schneller, als Sie denken!

5.3 Der linke Lagerbock

Wie gesagt, das Gleichteil folgt einem anderen Erstellungspfad:

  • Erstellen Sie ein neues Bauteil nach der üblichen Vorlage. Speichern Sie es unter G Lagerbock links.
  • Wählen Sie Einfügen, Teil.
  • Wählen Sie das Masterteil, G Lagerbock, und aktivieren Sie wieder alle Optionen bis auf Modellbemaßungen.
  • Wenn Sie bestätigen, wird das Master-Bauteil eingefügt (Abb. 5.23).

Abb. 5.22: Ähnlich, aber verschieden: Einfügen des gleichsinnigen Bauteils

  • Speichern Sie das Bauteil.

Abb. 5.23: Einfügen des Master-Teils in den linken Lagerbock

Sie sehen, die Strukturen sind absolut identisch bis auf die Händigkeit des Slave– Teils – frei nach dem Motto: eins links, eins rechts, Master schließen.

Diese Bauteile führen wir im nächsten Lehrbrief zu Ende. Sie werden sich völlig symmetrisch verhalten, sobald das Master-Teil geändert wird. Jede Änderung in den Slave-Teilen indessen wird privat bleiben.

Komfort pur!

Kontrollfragen

In kurzen Worten: Wie verläuft die Konstruktion der Getriebehälften?

Warum wird dieser etwas aufwendigere Weg der Konstruktion gewählt?

Was ist eine Pfad-Austragung?

Kann man mithilfe einer Pfad-Austragung eine lineare Austragung erreichen?

Worin unterscheiden sich die Wege zur Erzeugung des linken und des rechten Lagerbocks? Woran liegt das?