3 Mehrkörper-Teile
Bisher haben Sie Bauteile in Bauteile eingefügt, um Referenzgeometrie abzuleiten. Diese Teile, größtenteils Achsen, treten selbst nicht etwa als Volumenkörper in Erscheinung, sondern liefern nur das „Top“ des Top-down-Schemas; das Zahnrad Z4 ist die einzige Ausnahme. Obwohl also Mehrkörper-Teil im technischen Sinne, ist beispielsweise die Lagerbuchse doch eher als homogenes Teil anzusehen.
Es geht aber auch anders.
Im Folgenden stellen wir einige Mehrkörper-Teile her, die diese Bezeichnung auch verdienen: Die Zahnräder Z1 bis Z3 für das Getriebe bestehen aus jeweils einem großen und einem kleinen Rad. Solch eine Anordnung wird als Stufenrad bezeichnet. Die Räder selbst wurden als Rohlinge mit einer Verzahnungssoftware erstellt, ebenso der Import von Z4. Da Sie es in der Praxis leicht mit solchen Zukaufteilen zu tun haben können, zeige ich Ihnen, wie man damit umgeht.
Der Antrieb wird mit einem vierstufigen Zahnradgetriebe realisiert. Zahnräder sind äußerst komplizierte Gebilde und so etwas modellieren Sie nicht von Hand. Sie verwenden dazu sogenannte Verzahnungssoftware wie KISSSOFT oder GearTrax. Diese Programme modellieren direkt in SolidWorks – Sie können ihnen sogar dabei zusehen! – und erzeugen vollgültige parametrische Teile mit Features, Bemaßungen und allem Drum und Dran.
Kopieren Sie am besten erst einmal alle Verzahnungen von der CD auf die Fest- platte, denn andernfalls wird SolidWorks Sie bei jedem Modellneuaufbau nach dem Datenträger fragen:
- Kopieren Sie von CD 3 das gesamte Verzeichnis \Verzahnungen in Ihr Modellverzeichnis.
3.1 Teil einfügen
Arbeiten Sie ab hier nur noch mit Ihren lokalen Kopien:
Erstellen Sie ein neues Teil namens G Z1.
- Öffnen Sie mit Einfügen, Teil das Teil Zahnrad 1 (groSS).Sldprt.
- Aktivieren Sie die Optionen Volumenkörper und Achsen (Abb. 3.1). Letztere benötigen Sie zur Ausrichtung des zweiten Zahnrads. Klicken Sie einfach auf OK, statt den Körper auszurichten. Damit werden die Ursprünge der beiden Teile – des neuen und des eingefügten – automatisch zur Deckung gebracht.
Das erste Bauteil liegt immer auf dem Ursprung – genau so werden Sie es auch später in der Baugruppe kennenlernen. Das zweite hingegen müssen Sie eigens platzieren:
- Fügen Sie aus gleicher Quelle das Bauteil Zahnrad 1 (Klein) hinzu. Aktivieren Sie als Importartikel wieder Volumenkörper und Achsen, diesmal jedoch zusätzlich die Option Teil mit Verschieben-/Kopieren-Feature finden (Abb. 3.2).
3.1.1 Teile aneinander ausrichten
Nachdem Sie bestätigt haben, startet automatisch das Verschieben-/Kopieren–Feature. Wenn Sie im PropertyManager nur zwei Rubriken namens Verschieben und Drehen sehen, klicken Sie auf Zwangsbedingungen.
Damit ist die Lage des zweiten Zahnrads festgelegt. Sie haben keine Möglichkeit, es zu verdrehen oder zu verschieben. Interessant auch, dass die beiden Achsen nur deckungsgleich und nicht etwa kollinear verknüpft werden konnten (Abb. 3.5).
Die Lösung zeigt sich, wenn Sie die Verknüpfungen probehalber unterdrücken: Auch dann lässt sich keines der beiden Räder verschieben oder verdrehen – genauer: Sie beide waren bereits beim Einfügen starr! Genau deshalb brauchen Sie das Extra-Feature, um Beziehung, Verschiebung und Verdrehung zu definieren (Abb. 3.6) – die Verknüpfungen dienen hier lediglich der Positionierung!
3.1.2 Features anbringen
Jetzt benötigen wir noch die Bohrung für die Achse:
- Legen Sie auf der Stirnfläche des kleinen Zahnrads eine Skizze an (Abb. 3.7).
3.1.3 Der Feature-Bereich
Da zeigt sich ein merkwürdiges Problem: Plötzlich sollen wir wählen, welche Volumenkörper wir schneiden wollen (Abb. 3.9)!
Der Feature-Bereich ist die direkte Folge des Mehrkörper-Bauteils. Da wir mehrere Einheiten im Modell haben, müssen wir entscheiden, bis wohin Endbedingungen wie Bis nächste, Bis Fläche usw. genau reichen sollen. Selbst Durch alles ist sich plötzlich nicht mehr sicher.
- Interessant ist, was passiert, wenn Sie Ausgewählte Körper wählen und probehalber die einzelnen Teile in die Auswahlliste wählen: Sie können sogar die Schnittskizze des kleinen Zahnrads exklusiv durch das große führen (Abb. 3.10)!
3.2 Retter in der Not: die Einfügeleiste
Der Spalt beweist: Die beiden Räder werden immer noch als separate Teile gesehen, obwohl sie eigentlich eins sein sollten. Das kann im weiteren Verlauf Probleme geben. Also verschweißen wir die beiden. Dummerweise jedoch haben wir bereits geschnitten, also bleibt nur, den Schnitt zu löschen, eine Vereinigung einzufügen und den Schnitt wiederherzustellen, oder?
Nicht doch.
Sie können die blaue Leiste verwenden, die schon seit Stunden, still und unscheinbar, am unteren Ende des FeatureManagers auf Beschäftigung wartet: die sogenannte Einfügen–Leiste, hier vereinfachend als Einfügeleiste bezeichnet.
Jetzt wird der Schnitt unterdrückt, denn er ist nun ein zukünftiges Ereignis und gilt damit als noch ungeschehen. Man könnte meinen, SolidWorks sei ebenfalls vier-dimensional …
„Our only chance to repair the present is in the past!“ – Doc Brown in Back to the Future II
3.3 Boole und Co: das Feature “Kombinieren”
War die Einfügeleiste eine Reise rückwärts in der Zeit für das Modell, so bedeutet die Funktion Kombinieren die Urzeit von SolidWorks – und ebenso von allen anderen MCAD- und 3D-Programmen.
Kombinieren kennt die drei Funktionen Hinzufügen, Entfernen und Gemeinsam, besser bekannt als die drei klassischen Boole’schen Operationen Vereinigung, Differenz und Schnittmenge. Alle Features in SolidWorks basieren auf die eine und/oder andere Art auf diesen drei logischen Verknüpfungen, wie z. B. der Schnitt, der eigentlich eine Boole’sche Differenz darstellt: Eine Bohrung ist in dieser Lesart also ein Körper minus einem Zylinder.
Nachdem Sie bestätigt haben, ändert sich die Ansicht subtil, aber grundlegend: Der Schnitt zeigt jetzt wirklich nur noch ein einziges Bauteil (Abb. 3.13)!
- Rufen Sie jetzt wieder den Schnitt S Achse auf, so bemerken Sie als Erstes die Abwesenheit des Feature-Bereichs – an seine Stelle ist die Konturauswahl getreten. Logisch, denn aus Sicht dieser Funktion handelt es sich jetzt wirklich um ein einziges, solides Bauteil (Abb. 3.14)!
- Stellen Sie sicher, dass noch die Endbedingung Durch alles gewählt ist, und bestätigen Sie.
Damit ist das Mehrkörper-Teil zu einem soliden Bauteil geworden. Als Komponente einer Baugruppe oder Teil eines weiteren Mehrkörper-Teils ist es durch nichts mehr vom einfachen, monolithischen Teil zu unterscheiden (Abb. 3.15).
Abb. 3.14: Einfache Form: Durch die Vereinigung ist die Feature- Auswahl verschwunden
3.3.1 Das Innenleben eines Zahnrads
Da könnten Sie jetzt natürlich eine weitere Frage stellen: Warum haben wir beide Zahnräder in ein drittes Teil importiert und nicht einfach eines der Zahnräder in das andere?
- Öffnen Sie Zahnrad 1 (Gross) über das Kontextmenü In Kontext bearbeiten.
Das Bauteil wird genau so geladen, wie es aus der Verzahnungssoftware kommt. Sie sehen, dabei handelt es sich um ein ganz gewöhnliches SolidWorks-Teil mit Aufsatz, Skizze, Achse und Schnitt – nicht etwa um einen Volumenkörper ohne jede Information (Abb. 3.16).
Das aber wirft mindestens ein großes Problem auf, falls wir hier Teile einfügen: Bei einer Korrektur der Verzahnung und anschließendem Reimport in SolidWorks wird das Altteil überschrieben – womit auch unser eingefügtes Teil und die Skizzenbeziehungen verloren wären.
Wenn wir jedoch beide Zahnräder gleichartig behandeln und sie stets nur „indirekt“ per Referenz nutzen, dann wird jede Änderung allenfalls eine automatische Aktualisierung des Mehrkörper-Teils auslösen – Sie brauchen nur noch die Positionierung zu korrigieren. Besser geht’s (im Moment leider) nicht!
Dann wird es wieder Zeit für ein Material:
- Wählen Sie als Material wieder PA 6.
Sehen Sie dazu Abschnitt 2.2.6 „Material konfigurieren“
3.3.2 Den FeatureManager einstellen
Eine unglückliche Einstellung vom Standpunkt der Erscheinungsbilder aus ist das automatische Ausblenden der Volumenkörper. Das ändern Sie schnell:
3.3.3 Features kopieren: Zahnrad 2
Die anderen beiden Stufenräder erstellen Sie auf dieselbe Art. Leider können wir hier nicht mit dem Kopieren von Dateien arbeiten, wie wir es bei den Achsen getan hatten. Konfigurieren entpuppt sich als noch umständlicher, als die Teile eben rasch zusammenzustellen. Der Grund hierfür liegt in den Beziehungen zu den nachfolgenden Features und zwischen den Objekten des Mehrkörper-Bauteils selbst.
-
Erstellen Sie analog G Z2 aus den Bauteilen Zahnrad 2 (gross).Sldprt und Zahnrad 2 (klein).Sldprt. Bringen Sie wieder die Vereinigung an und – diesmal anschließend – den Schnitt für die Achse, Durchmesser 3 mm
Wenn auch Sie keine Wiederholarbeiten mögen, versuchen Sie es einmal mit dem Kopieren bestehender Features. Das klappt nicht immer, und ganz sicher nicht mit den Teil-Features und der Vereinigung. Wohl aber mit dem Schnitt:
- Wenn Sie mit der Vereinigung fertig sind, wechseln Sie zu G Z1, markieren im FeatureManager S Achse und drücken Strg+C, ganz so als ob Sie in Paintbrush wären.
- Wechseln Sie zu G Z2, klicken Sie auf die Stirnfläche des kleinen Rads und drücken Sie Strg+V. Hierauf erscheint eine kleine Warnung (Abb. 3.17).
Abb. 3.17: Einfügen eines Features aus der Zwischenablage
Natürlich sieht die Bohrung, die ansonsten tadellos eingefügt wird, dadurch ein wenig exzentrisch aus. Für Unrundverzahnungen fehlt uns aber das Geld, also korrigieren wir lieber den Loch-Kreis:
- Öffnen Sie Sk Achse und ziehen Sie das Kreiszentrum auf den Ursprung. Damit ist auch die Skizze wieder voll definiert (Abb. 3.18).
3.3.4 Alternative Beziehungen: Zahnrad 3
Erstellen Sie schließlich G Z3 aus Zahnrad 3 (gross).Sldprt und Zahnrad 3 (klein).Sldprt. Bringen Sie … yada–yada–yada …
Wenn Sie wollen, können Sie statt der Deckungsgleichheit der Achsen auch die Konzentrizität der beiden Verzahnungen definieren (Abb. 3.20, Kasten). Denn auch Kopfkreise sind Kreise, wie wir vorhin gesehen hatten. Zoomen Sie kräftig hinein, denn diese Zylinderflächen sind wirklich winzig!
Das fertige Stufenrad 3 können Sie in Abb. 3.21 bewundern.
3.4 “Dial M for Motor”: das Antriebsrad
Eine letzte kleine Arbeit bleibt noch: das kleine Ritzel für die Motorwelle. Es wird zwar nicht gestuft, wohl aber gebohrt.
In ein neues Teil namens M Z0 – nicht G Z0, oder Sie suchen sich in drei Lehrbriefen zum Handkoffer! – fügen Sie das Teil Zahnrad 0 (Motor) ein. Wieder brauchen Sie nichts zu positionieren – übernehmen Sie nur den Volumenkörper und die absorbierten Skizzen.
- Legen Sie auf der Stirnfläche eine neue Skizze an. Zeichnen Sie einen Kreis deckungsgleich mit dem Ursprung und bemaßen Sie ihn mit 2 mm (Abb. 3.22).
Dieses Zahnrad gehört zur Baugruppe Motor
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